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  Qalandar
 


Qalandar


Shahbaz Qalandar

Qalandar ist ein arabischer Begriff aus dem Sufismus  und bezeichnet einen Wanderderwisch, der nur das absolute Minimum an religiösen Pflichten ausübt. Dem bekannten Sufi Abdur Rahman Dschami (1439 – 1492) zufolge ist der Qalandar ein weniger strenger Mystiker, der sein Leben ohne Einschränkung genießt. Der Qalandar steht im Sufismus im Gegensatz zum Anhänger einer Tariqa (Derwischorden) mit fest geregelten Grundsätzen. Zeichen eines Qalandars können das Rasieren des Barthaares und mitunter auch der Augenbrauen sein.


Zwei berühmte Heilige Lal Shahbaz ( Roter Falke), Schrein
in Shewan, Pakistan und Bu Ali (Duft Alis) , Schrein in Panipat,Indien tragen den Ehrenbeinamen Qalandar.





Lal Shahbaz, Uthman Marwandi war ein Sufi-Meister aus dem 13. Jahrhundert. Er stammt ursprünglich aus Marwand bei Tabriz in Aserbaidschan im Iran und ging später in Richtung Osten nach Sehwan. Dort wirkte er am unteren Indus an dem Platz eines alten Shiva-Heiligtums. Er soll dort zunächst in einem hohlen Baumstamm außerhalb des Ortes Sehwan und später auch im Prostituiertenviertel gelebt haben.Er hat den Ehrennamen Lal Shahbaz, was übersetzt Roter Falke bedeutet.
 

In den Qalandariyya können die Frommen jene mehr emotionale Religiosität leben, für die im orthodoxen Islam kein Raum ist: Musik, Kreistanz und vor allem persönliche Betreuung und Begleitung. In Pakistan werden am Abend im Schrein von Lal Shahbaz Qalandar die großen Trommeln aufgestellt. „Sie messen über einen Meter im Durchmesser, und um 6 Uhr, nach dem Abendgebet, locken sie mit mystischem Klang die Derwische zum Tanz. Die meisten hüpfen mit gestreckten Armen auf der Stelle, in der Nähe der Trommeln suchen sie Trance und den sinnlichen Rausch. Einige geraten völlig außer sich, wälzen sich wie Epileptiker zuckend am Boden, andere stoßen in ihre Hörner: `Ali Haidar` (Ali, du Löwe) ertönt es immer wieder, und wie im Chor antworten die Massen `Ya Ali`“ (Bergmann 1999: 52-53 und Bergmann 1995: NDR/ARTE).

 

Die Qalandariyya haben die Ordnung des orthodoxen Sufismus häufig umgekehrt: Sie legen kaum Wert auf mystische Lehren, die von einem Meister vermittelt werden, vernachlässigen das rituelle Gottgedenken und ignorieren die Pilgerfahrt nach Mekka“ (Frembgen 1993: 66).

 

Oft ziehen die Qalandariyya und Malamatiyya in Pakistan als Wanderderwische über die Straßen und leben vom Betteln, manche halten sich auch für längere Zeit an einem Ort auf, zum Beispiel an einem Heiligenschrein. Vom äußeren Erscheinungsbild her mag es manchmal nicht leicht sein zu entscheiden, ob es sich um „wahre“ Mystiker und Ekstatiker handelt oder um Scharlatane, Gaukler oder einfache Straßenbettler. Oft wird ihnen unterstellt, sie seien gefährlich oder gar kriminell und mit magischen Kräften begabt. Sie wirken unheimlich und üben doch eine irritierende Faszination aus (Bergmann 1999: 142-143; vgl. Frembgen 1993: 66).

 

„Manche Qalandariyya halten sich für längere Zeit an einem Ort – häufig in der Nähe eines Heiligenschreiens auf. Dort leben sie in Hütten, Höhlen oder einfachsten, mit Stöcken und Tuchfetzen errichteten Unterkünften. Innerhalb des Schreinbezirks halten sie sich in der Regel außerhalb des inneren Sanktuariums (eigentlicher Grabraum) und der Vorhalle (diwan khana) auf, sitzen unter einen Sonnendach oder um ein Feuer herum. In diesem offenen Bereich des Schreinkomplexes wird auch mystische qawwali-Musik gespielt und ekstatisch getanzt“ (Frembgen 1993: 67; vgl. Bergmann 1995: NDR/ARTE).

 

Wegen ihrer Offenheit gegenüber der Magie, die im Volksglauben eine wichtige Rolle spielt, hat – zumindest in der Vergangenheit – gerade die ländliche Bevölkerung und die städtische Unterschicht diese heterodoxen Derwische (auch Fakire genannt) akzeptiert (Frembgen 2000: 69 und Frembgen 1993: 65).

 

Die Teilnehmer am Heiligenfest in Pakistan sind nicht nur die muslimischen Pilger, sondern auch Pilger von verschiedenen Völkern und Nationen, Hindus, Ministerpräsidenten, Prostituierte, Christen, Brustschläger und Kettengeißler, Tanzmädchen und Transvestiten. Das heißt auch, „der Schrein ist für alle da“, sagte Akhtar Hussein, der Meister der Bruderschaft des „Roten Falken“ in Pakistan (Bergmann 1999: 17-20). Der Meister der „freien“ Bruderschaften ist ein lokaler mystischer Lehrer. In Pakistan, zum Beispiel ist Akhtar Hussein der lokale mystische Lehrer. Akhtar Hussein ist der Nachfolger von Qalandars Lieblingsderwisch (Bergmann 1999: 17).

 

 

 
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