Anthroposophie und islamische Mystik
Prolog
In der heutigen unbestrittenen Orientierungslosigkeit in fast allen Bereichen menschlicher Existenz und dem zunehmenden Niedergang und Zerfall bisheriger Errungenschaften der Menschheit entsteht in zunehmenden Maßen die Frage nach einer Neuorientierung im Umgang mit uns selbst und mit unserer Umwelt.
Dieses besonders in den Fragen des Einzelnen nach dem Sinn seines Lebens als persönliche religiöse Frage und weltbezogen auf den sinnvollen Umgang mit unserer Erde, um nachhaltig für ein zukünftiges lebenswerteres Bestehen unseres Planeten Erde für zukünftige Generationen zu ermöglichen.
Als Fragender + Suchender nach einer wohl notwendigen Neuorientierung stößt man schon beinahe unausweichlich – zumindest im europäischen Kulturbereich – auf zwei für unsere Zeit ungewöhnliche Phänomene.
1. Im religiösen Bereich auf ein Neuerwachen des Islam, der als einzige heutige Weltreligion einen Zuwachs und eine Belebung erfährt, bei einem gleichzeitigem Zerfall und Rückgang anderer bestehenden großen Religionen.
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Im sozialen Bereich auf neue Impulse und Anregungen, die in den unterschiedlichsten Bereichen des sozialen Lebens auf Grund anthroposophischer Erkenntnisse und Forschungs -ergebnisse entstanden sind.
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Einige bekannte Beispiele hierzu: Weltweit gibt es bereits über 3.000 Einrichtungen von Waldorfschulen und Kindergärten, die biologisch-dynamische Landwirtschaf Demeter, neue Wege in der Medizin und Heilpädagogik mit nachhaltigen Erfolgen, auch ein erneuertes Bankensystem etc. So stehen aus diesen Verhältnissen heraus heute bereits tausende Menschen in ganz neuen wirtschaftlichen und auch moralisch verantwortlicheren. Beziehungen zueinander, wenn sicherlich noch nicht immer perfekt, aber doch neue Wege suchend mit Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer nachhaltigen für uns Menschen lebensfähigeren Zukunftsgestaltung auf unserem Planeten Erde.
Als Suchender und Fragender muss ich mich bei der Orientierung meiner Lebensgestaltung als Mensch als ein religiöses Wesen einer Schöpfung sowie auch als ein sozial angewiesenes Wesen unter Menschen annehmen können, wenn der wohl heute unabwendbare und wohl auch notwendige Neubeginn einer Zukunft für die Menschheit auch für mich ein erstrebenswertes Ziel sein soll.
Es sei denn, wir ignorieren alle unsere heutigen doch für Jedermann erlebbaren leidvollen Realitäten auf unserem Planeten Erde und alle warnenden Zeichen für die Notwendigkeit einer Neubesinnung. So wohl auch die für jeden erlebte Wahrnehmungen von sich Selbst und fragen nicht nach der Entwicklung und der Zukunft unseres Planeten für nachfolgende Generationen und nicht nach der eigenen persönlichen Verantwortung für eine Neugestaltung unserer Erde für eine zukünftige Menschheit.
Eine soziale Orientierung am Beispiel der Anthroposophie
Beginnen wir also mit der Frage nach unserer sozialen Situation, weil diese zunächst einfacher und sichtbarer für uns erscheint. Aber wir verweisen schon jetzt darauf, dass die religiöse Frage + unser soziales Handeln eigentlich untrennbar miteinander verbunden sind, wenn wir es denn versuchen, ein wahrhaftiges und verantwortliches Leben zu führen, soweit dieses für uns als Individuum mit einer ganz persönlichen Biographie denn möglich ist.
Wenn ich eine Orientierung für mich suche, gilt auch die allen ja bekannte Aussage in der Bibel: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an ihren Worten!“
Gemeint sind natürlich Vorbilder für eigene Wege und Möglichkeiten. Und die wichtigste Sure im Koran sagt: „ Die Bitte an ALLAH: …. und führe uns den Weg derer, denen DU wohl gesonnen und nicht den Weg derer, die DEINEN Zorn erregen!“
Also auch hier eine Orientierung an reale Handlungen und Wirklichkeiten von Menschen, die uns Vorbilder sein können und sollten. Dieses gilt natürlich sowohl für bereits verstorbene als auch noch lebende Menschen aus allen möglichen Bereichen, in denen Menschen auf unserer Erde gehandelt und gewirkt haben und auch heute noch wirken. (Sure 1, Fatiha).
Und ich sollte es stets versuchen, mich und meine Gewissensinstanz zu fragen bei meinen Entscheidungen, für was will ich mich entscheiden: Macht oder Menschlichkeit, Geist oder Geld usw. Und gerade in dieser Wahlmöglichkeit liegt ja die erlebbare innere Erfahrung der Freiheit, die jeder Mensch ja eigentlich letztlich für sich sucht und die der Grundaussage des Christentums zufolge seit zweitausend Jahren allen Menschen als eigene erlebbare Erfahrung bereits möglich ist, nämlich durch das Opfer der Kreuzigung von Jesus-Christus - dem Mysterium von Golgatha.
Die Anthroposophie und Rudolf Steiner (1861-1925)
Die Anthroposophie ist nach Steiners eindeutigen Aussagen keine Religion und soll auch keine werden, sondern eine neue Wissenschaft. Er nennt diese Wissenschaft eine Geisteswissenschaft – und nennt sie Anthroposophie. Nach dieser Auffassung von Steiner befasst sich diese neue Geisteswissenschaft, über die bisherigen Erkenntnisse der klassischen Naturwissenschaften hinaus, mit den geistigen Gesetzen, die der Schöpfung des Universums zu Grunde liegen und Ewigkeit besitzen. Er versteht dieses so, dass hinter allem Sichtbaren noch eine geistige Welt nach ewigen Gesetzen wirkt, die auch unser
menschliches Leben als Teil der Schöpfung in allen Formen und Erscheinungen nachhaltig bestimmt. Die Anthroposophie versteht sich also als eine neue Wissenschaft im Sinne eines neuzeitlichen wissenschaftlichen Erkenntnisweges und deren Nutzung als eine Erweiterung und eine Ergänzung zu den bisherigen bestehenden Natur- und Geisteswissenschaften, die der Menschheit neben allen Vorteilen und wohl auch lobenswerten Erneuerungen, aber leider eben auch sehr viel Leid mit ihrer doch nur einseitigen materiellen Anschauung in der Nutzung in eine für jeden doch erkennbaren verhängnisvollen Sackgasse der Menschheits- entwicklung geführt hat.
Angeregt zu diesem neuen Erkenntnisweg wurde Steiner von Johannes Wolfgang von Goethe. Das neue an diesem von Goethe angeregten Erkenntnisweg war und ist es, eine Form des menschlichen Denkens und Erkennens zu entwickeln und wahrzunehmen, die in der Lage ist, diese geistigen Gesetze des wahrhaftigen SEINS des Universums mit all seinen Facetten nicht nur als eine Glaubens mäßige religiöse Offenbarung zu erfahren und anzuerkennen, sondern über diese erweiterte Erkenntnismöglichkeit hinaus, dann auch in einer neuen Verantwortlichkeit an der Schöpfung teilnehmen zu können, weil wir als ein Teil der Schöpfung mit allem zutiefst verbunden sind und auch so, als ein Teil dieser Schöpfung eine eigene Verantwortung für diese Schöpfung unserer menschlichen Natur gemäß auch haben.
Vergleichbar ist diese von Goethe gemeinte Verantwortung für die Schöpfung unserer Erde in etwa so, wie wir diese Verantwortung bisher doch auch für unsere eigene Familie als ganz natürlich und selbstverständlich empfinden. So sollten wir denn auch einmal zukünftig die Verantwortung für die gesamte Menschheit und der gesamten Schöpfung als ganz natürlich und selbstverständlich empfinden können. Uns alle als Schwestern und Brüder einer Familie eines Schöpfers bzw. einer gemeinsamen Schöpfung empfinden können und auch so dann, wie eben als Mitglieder einer Familie, unsere Handlungen entsprechend ausrichten sollten und dieses auch durchaus einmal könnten.
Dieses neue von Goethe gemeinte verantwortliche Bewusstsein, dass dann eben auch ein anderes Handeln bewirken könnte entsteht dadurch, das der Mensch als ein ständig Übender und Lernender diese neuen Fähigkeiten erwerben kann, vergleichbar einem Geigenspieler, der durch sein stetiges Üben des Geigenspielens eine ganz andere Art seiner eigenen Musikgestaltung erleben kann, als ETWAS, was auch ohne seinen direkten Einfluss sein Geigenspiel immer mehr zu einem Kunstwerk werden lässt und so zu einem neuen Teil der Schöpfung als persönlicher Mitgestalter der Schöpfung werden kann. So die erlebten Gedanken von Goethe als eine Vision einer zukünftigen Menschheitsentwicklung, die den Absichten unserer Schöpfung auch gerecht werden kann.
Dieser neue Erkenntnisweg erfordert in der Durchsetzung natürlich große Anstrengungen, aber lässt dann auch eine Persönlichkeitsentwicklung zu, die den Suchenden und diesen Weg Praktizierenden auf eine neue erfüllte Art an der göttlichen Schöpfung teilhaben lässt und ganz lebendig von jedem von einem inneren Gefühl heraus erlebt werden kann. Letztlich wird nach dieser Auffassung ein Jeder diesen Weg in seiner Entwicklung gehen können. Das einzelne Individuum kann aber schon heute durch die Annahme dieses Weges seine Entwicklung beschleunigen, so er es möchte und seine Biographie dieses zulässt, was oft als
Gnade und als ein Geschenk des Schöpfers empfunden wird, wenn der Suchende diese neuen Lebenserfahrungen dann wirklich auch erlebt.
Rudolf Steiner war ein zutiefst gläubiger Mensch mit enger Orientierung an das Christentum. Dieses zumindest ab der Jahrhundertwende. Hatte er sich vorher als einen „freien, nur sich selbst gegenüber verantwortlichen Geist“ empfunden, und Nietzsche als ein „Vorbild in dessen Vorstellungen“ gepriesen, so sagte er später: „Ich fand das Christentum, das ich suchen musste, nirgends in den Bekenntnissen vorhanden. Ich musste mich, nachdem die Prüfungszeit mich mit harten Seelenkämpfen ausgesetzt hatte, selber in das Christentum versenken, und zwar in der Welt, in der das Geistige darüber spricht.“
(R.Steiner, Mein Lebensgang, S.270f.)
Ein Kommentar aus dem Buch über Rudolf Steiner von Gerhard Wehr hierzu:
„So untraditionell, um nicht zu sagen, individualistisch diese Kennzeichnung des Steinerschen Wegs zu Christus auf den ersten Blick erscheinen mag, das Motiv als solches ist im Grunde doch urchristlicher Herkunft. Es verweist auf Paulus, der eigenem Zeugnis zufolge sein Christ
sein nicht der apostolischen Überlieferung verdankt, sondern einer unmittelbaren Christus-Offenbarung. Und nimmt man andere Zeugnisse Steiners hinzu, zum Beispiel auch seine
Deutung eigener philosophischer Arbeiten, dann liegt nahe, bei ihm von einem neuzeitlichen Damaskus-Erlebnis zu sprechen.“ (Gerhard Wehr: „Rudolf Steiner“, 1993, S. 137)
( Mit dem Damaskus Erlebnis von Steiner ist wohl eine besondere Christus Erfahrung gemeint, ähnlich die von Paulus bei dessen Begegnung mit Jesus Christus auf dem Wege nach Damaskus. APG 9, neues Testament).
Es ist in dieser kurzen Darstellung über Steiner und der Anthroposophie nicht meine Absicht, die Philosophie Steiners und seinem Werdegang ausführlich zu besprechen und zu beurteilen. Darüber ist von kompetenterer Seite in der vorhandenen Literatur hierzu mehr als ausführlich berichtet worden.
Mich bewegt aber doch die Frage für eine persönliche Orientierung, was ist von der Anthroposophie, vom Wort und Gedanken Rudolf Steiners also, Wirklichkeit geworden.
Was lebt also heute und was hat Bestand für eine erstrebenswerte Zukunft. Mögliche Widersprüchlichkeiten und Irritierungen im Werdegang und den Aussagen Rudolf Steiners
sind bei dieser Thematik vorprogrammiert und werden bestehen bleiben, wie bei fast allen neuen Erkenntnissen und in der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit. Es können ja
oft erst viele Generationen später, solche umfassenden neuen Erkenntnisse ins reale Leben umgesetzt werden.
Rudolf Steiner hat die modernen Naturwissenschaften durch diese umfassende Wissenschaft des Übersinnlich-Geistigen erweitert und ergänzt. Seine Geisteswissenschaft oder Anthroposophie ist so in der heutigen Kultur eine einzigartige Herausforderung zur Überwindung des Materialismus, dieser doch leidvollen Sackgasse in der Menschheits- entwicklung. Steiners Geisteswissenschaft ist aber keine bloße Theorie. Ihre Fruchtbarkeit zeigt sie vor allem in der Erneuerung der verschiedenen Bereiche des Lebens: So der Erziehung, der Medizin, der Kunst, der Religion, der Landwirtschaft, bis hin zu einer gesunden Dreigliederung des ganzen sozialen Organismus, in der Kultur, Rechtsleben und Wirtschaft, die unabhängig von einander gestaltet werden können und sollten und sich gerade dadurch gegenseitig fördern können, wie dies bereits in der französischen Revolution mit der Forderung nach Freiheit + Gerechtigkeit + Brüderlichkeit für alle Menschen ja schon gefordert wurde.
Eine Anerkennung jedoch von der heutigen etablierten Kultur ist Rudolf Steiner bis heute im Wesentlichen ausgeblieben. Dieses vielleicht auch deshalb, weil seine Geisteswissenschaft jeden Menschen, der diese ernst nimmt, früher oder später vor die eigene Wahl zwischen Macht oder Menschlichkeit, zwischen Geld oder Geist usw. stellt und dieses viele abschreckt oder sie sich hierfür nicht entscheiden können oder es nicht wollen.
Es liegt aber auch in der Natur dieser Geisteswissenschaft, dass diese weder ein Massenphänomen noch eine elitäre Erscheinung sein kann: Denn einerseits kann sie nur der einzelne Mensch in seiner Freiheit ergreifen, andererseits kann dieser Einzelne aber auch in allen Schichten der Gesellschaft und in allen Völkern und in allen Religionen der Menschheit seine Wurzeln haben.
Die Besonderheit der religiösen Anschauung Rudolf Steiners in Verbindung mit der Mystik des Islams – dem Sufismus also - soll abschließend kurz angeschaut und dargestellt werden.
Die Waldorfpädagogik
In Ergänzung zum bisher Gesagten möchte ich am Beispiel der Waldorfpädagogik Rudolf Steiners einige Grundzüge seiner Weltanschauung erläutern und dieses besonders an seinem Menschenbild und der damit verbundenen Pädagogik.
Die Waldorfpädagogik gründet auf der Grundlage der von Steiner entwickelten anthroposophischen Weltanschauung und wird heute allgemein mit ihren über 3.000 weltweiten Einrichten von Hochschulen für die Lehrerausbildung, Schulen und Kindergärten sowie heilpädagogischen Einrichtungen als vorbildliche Reformpädagogik auch allgemein so anerkannt.
Sie entstand zu Beginn des 20. Jahrhundert zunächst als eine Betriebsschule für die Arbeiter und Angestellten der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik 1919 in Stuttgart. Daraus entwickelte
Steiner später auch eine besondere Pädagogik für Kindergärten und für geistig beeinträchtigte Menschen, nämlich eine besondere Heilpädagogik für diese beeinträchtigten Menschen.
Die Grundlage der Waldorfpädagogik ist die geisteswissenschaftliche Auffassung der Menschenkunde Rudolf Steiners. Die Entwicklung des Menschen erfolgt nach dieser Vorstellung in Rhythmen von ca. sieben Jahren und bedarf daher auch der entsprechenden pädagogischen Unterstützung der Erziehenden für die jeweilige Entwicklungsphase mit ihren Besonderheiten in diesen unterschiedlichen Entwicklungsphasen des Kindes.
Die unterschiedlichen Entwicklungsphasen des Kindes:
Im 1. Jahrsiebent
Es erfolgt zunächst die Entwicklung des physischen Leibes und der Sinne und die Entwicklung der inneren Organe. Das Kind nimmt in diesem Alter die Welt vor allem durch Nachahmung auf. Die Kindergartenpädagogik ist stark rhythmisiert mit immer gleichen Beschäftigungen an den verschiedenen Wochentagen wie Backen und Malen usw. Märchen werden so lange erzählt und vorgespielt, bis Kinder diese auswendig kennen. Gesang und Theaterspiel und selbst gestaltetes Spielzeug sind vorrangig. Kinderkrankheiten sind ebenfalls notwendige Entwicklungsschritte in dieser Zeit. Beten und Engelwelten sowie Erfurcht vor den Eltern und der Schöpfung sollten sie in dieser Entwicklungszeit als natürliche
Verhaltensformen erlebt und wahrgenommen werden können. Mit dem Zahnwechsel endet diese Lebensphase auch äußerlich erkennbar.
Im 2. Jahrsiebent
Es entwickelt sich der von Rudolf Steiner so genannte ätherische Leib. Die Organbildung ist dann abgeschlossen und Kräfte werden frei für seelische Denk-. Lern- und Gedächtnis –aufgaben. Durch Bilder, Beispiele und durch das Lenken der Phantasie kann diese Entwicklung fördernd unterstützt werden. Es ist diese eine Zeit der Weiterbildung des Menschen. Steiner nennt diese Phase: Nachfolge und Autoritätsanerkennung – allerdings sollten es vorbildhafte Autoritäten sein, die den Kindern in dieser Zeit nahe gebracht werden.
Im 3. Jahrsiebent
In dieser Lebensphase entwickelt sich der von Rudolf Steiner so genannte Astralleib und damit auch jetzt die Fähigkeit, das innere Seelische bewusst und intensiv zu erleben. Die intellektuellen Fähigkeiten bilden sich dann ebenfalls aus. Es ist dies die Zeit der Entwicklung der eigenen Urteilsbildung. Es geht dann um Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Es geht jetzt um mehr Sachlichkeit. Auch besondere Krankheiten sind Stationen in dieser Entwicklungszeit der Jugendlichen.
Soweit einige Beispiele, wie aufgrund des anthroposophischen Menschenbildes eine ganz praktische Pädagogik zur Unterstützung dieser unterschiedlichen Entwicklungsphasen junger Menschen über die reine Wissensvermittlung hinaus Pädagogik für das Kind förderlich wirken kann und wohl auch sollte. Dieses nach dem uns doch allen bekanntem Sprichwort:
„Was Hänschen nicht lernt, das lernt Hans nimmer mehr!“
So wissen wir es ja alle, das Kindergartenkinder auch ohne einen speziellen Unterricht
erstaunlich schnell eine fremde Sprache nur über das Zuhören erlernen können, was später mit einem doch intensiven Studium erst erarbeitet werden muss, wenn man dann eine neue Fremdsprache erlernen möchte.
Die weitere Entwicklung des Menschen über das 21. Lebensjahr hinaus erfolgt ebenfalls in sieben Jahres Schritten und kann dann auch eine hilfreiche und ganz praktische Orientierung für eigene Lebensentscheidungen sein, sofern man mit den Besonderheiten in der jeweiligen Lebensphase dann auch vertraut ist.
Die gemeinsame Gestalt Jesu im Sufismus und der Anthroposophie
Bei religiösen Gesprächen zwischen Christen + Muslimen entsteht schnell der Eindruck, die Gestalt Jesu sei das eigentlich Trennende zwischen den Religionen. Denn der Islam leugnet bekanntlich die Kreuzigung von Jesus und erkennt ihn auch nicht als Sohn Gottes in der Art der bisherigen christlichen Vorstellung und Deutung an. Auch die bisherige christliche Vorstellung der Trinität Gottes wird in dieser jetzigen Denkweise der christlichen Amtskirche ebenfalls abgelehnt.
Bei dieser Diskussion wird dabei aber übersehen, dass der Koran – abgesehen vom Neuen Testament – die einzige heilige Schrift einer Weltreligion ist, in der Jesus eine wichtige Rolle spielt. Ganze 15 Suren in 108 Versen im Koran beziehen sich auf Jesus.
Besonders über die Verkündigung der jungfräulichen Geburt, aber auch über die Wunder von Jesus-Christus, seine ethischen Forderungen, seinen Tod und seiner Rolle beim Jüngsten Gericht wird ausführlich berichtet.
Eine besondere Würdigung erfährt Jesus in der islamischen Mystik. So sagt einer der bedeutenden islamischen Mystiker, Ibn Arabi (1165-1240): „Jesus-Christus wäre sein geistiger Meister, durch den er eingeweiht wurde.“
Besonders die Reinheit von Jesus und die Verkörperung des armen Pilgers, dessen Weg die Enthaltsamkeit und der Verzicht ist, waren für die Sufis ein Vorbild. So heißt es bei Rumi: „Wir sind geschickte Ärzte, denn wir sind Schüler Christi.“ Oder bei dem Sufi-Dichter Nasir-i-Khusrau: „Die ganze Erde schaut und ist lebendig, da der Lenzwind Jesus Atem gleicht“. Seine menschlichen Qualitäten, seine Reinheit, seine Güte und Mitleidsfähigkeit werden ebenfalls hervorgehoben.
Als Sohn der Jungfrau Maria gilt er als „Geist Gottes“ oder „Wort Gottes“, weil er durch Gottes Geist und Wort empfangen wurde. Jesus wird Adam gleichgestellt und darüber hinaus – ähnlich wie Muhammad – gilt er als Prophet und Gesandter. Er ist beauftragt, an alle Völker die Botschaft der Gottes- und Nächstenliebe zu verkünden.
Strittig ist die Kreuzigung von Jesus-Christus. Die eher mystisch orientierten muslimischen Theologen neigen zu der Ansicht, dass nur Jesus-Christus menschliche Hülle gekreuzigt wurde, aber sein göttliches Wesen sei dagegen unangetastet geblieben.
Gibt es also eine Verbindungslinie zur Christologie Rodulf Steiners?
Alle Aussagen über Jesus-Christus im Koran und in der islamischen Mystik verweisen auf eine wirkliche Christologie. Entsprechend wird Jesus-Christus im Koran auch als „Al-Masih“
bezeichnet, was die arabische Übersetzung des hebräischen Wortes „Messias“ und das griechische „Christus“ bedeutet.
Es sind dieses durchaus gute Perspektiven für einen muslimisch-christlichen Dialog.
Mit Blick auf die islamische Dichtung und Mystik über die Qualitäten von Jesus-Christus sowie seiner Beziehung zu der in der Natur wirkenden Lebenskräfte sollte Hoffnung bestehen,
dass Jesus-Christus weniger als trennende, sondern eher als beide Religionen verbindende Gestalt angesehen werden kann.
So wird denn im Koran auch prophezeit, dass Jesus-Christus einst wieder auf Erden erscheinen wird, um gemeinsam mit dem Propheten Mohammad beratend am Jüngsten-Gericht teilzunehmen. Nach dieser Vorstellung der Muslime wird dieses schon bald sein und
dieses in der Omayadden-Moschee in Damaskus, in der auch Johannes der Täufer sein Grab hat und dort auch von den gläubigen Muslimen auch heute noch hoch verehrt wird.
Nachwort
Gerade der Dialog zwischen den großen Religionen der Christen und der Muslime also, die als abrahamitische Religionen mit einer gleichen religiösen Tradition, also von Adam und Abraham beginnend, eigentlich bei genauer Betrachtung sich nur als eine gemeinsame Religionsfamilie verstehen sollten, die doch einen Gott als ihren Schöpfer zu Grunde legen in ihren religiösen Aussagen - also in der Bibel und dem Koran.
Haben sie doch eine gemeinsame Entwicklung nach den Gedanken und Willen des Schöpfers bzw. der Schöpfung durchgemacht, auch wenn ihre äußere Erscheinungsformen in ihrer doch so unterschiedlichen Kulturentwicklung zunächst den Anschein erwecken können, als wenn es sich um ganz unterschiedliche Religionen handelt mit ganz unterschiedlichen Gottes- und Glaubensvorstellungen.
Dem ist aber in Wirklichkeit gar nicht so!
Man muss es leider zugestehen, dass eine genaue Kenntnis dieser Wahrheit nun einmal ein sehr gründliches und intensives Studium beider Religionen voraussetzt. Ein Verstehen nur nach Gefühlslage und unkritischer Übernahme vergangener Traditionen und Aussagen der für Glaubensfragen Verantwortlichen mit allen ihren für jeden wahrnehmbaren Irrtümern und Widersprüchen und mit all ihren verheerenden Folgen daraus in der Vergangenheit, sollte eigentlich nach den bisherigen Erfahrungen in der Menschheitsentwicklung nicht mehr so hingenommen werden können.
Arif Rüdiger Deutsch
Damaskus, 7.5.2012
Hinweis zum Grab des Heiligen - Johannes der Täufer - in der Omayadden-Moschee.
Nach der Darstellung in Wikipedia hierzu:
Danach gibt es mehrere Orte, die für sich beanspruchen, das Haupt des Heiligen als Reliquie zu besitzen. Zum einen die Kirche San Silvestro in Capite in Rom, daneben auch die Kathedrale von Amiens. Der dortigen Überlieferung zufolge brachte der Domherr von Picuquigny Wallon de Sarton 1204 die Kopfreliquie als Kriegsbeute vom Vierten Kreuzzug aus Konstantinopel mit und übergab sie seinem Onkel, dem Bischof Richard de Gerberoy in Amiens. Aber auch die Omayadden-Moschee (in der vorislamischer Zeit war es die christliche Jahonniskathedrale) in Damaskus beansprucht, das Haupt des Täufers zu verwahren.
2010 wurde bei Ausgrabungen auf der Schwarzmeerinsel Sweti Iwan im Kirchenaltar des ehemaligen kaiserlichen Johannes der Täufer Klosters ein Reliquiar mit der Inschrift Johannes der Täufer gefunden. In der Urne wurden Zahn, Hand-, Fuß- und Kieferknochen entdeckt. Bulgarische Archäologen wollen die Reliquien, die im 4. Jahrhundert n.Chr. von Konstantinopel nach Sosopol gelangten, Johannes dem Täufer zuordnen.