Quer durch Afrika
Husamuddin Mayer spricht über seine Erfahrungen
Ein langer grau-weißer Bart wächst im freundlichen Gesicht des Mannes. Er trägt einen Kaftan und einen rot-weißen Turban. In seinen Händen hält er einen Wanderstab und eine Gebetskette. Der Mann, der so sehr den Abbildungen von Nasreddin Hodscha gleicht, ist Martin Husamuddin Mayer, gebürtig in Darmstadt. Er war am Samstag Gast im Café „Leib und Seele“. Dort fand eine weitere Veranstaltung der Reihe „Erzählcafé“ statt.
Ethnologe und Islamwissenschaftler
Martin Mayer ist ein Ethnologe und Islamwissenschaftler, der auf langen Reisen durch Nord- und Westafrika den muslimischen Glauben kennen gelernt und auch selbst angenommen hat. Er ist unter anderem als Seelsorger für die Muslime in der Justizvollzugsanstalt Wiesbaden tätig.
Husamuddin Mayer weckte im Publikum den Appetit auf abenteuerliche Geschichten indem er mit verschmitzter Miene in die Runde fragte: „Wer von Ihnen kennt Timbuktu?“ Um dann freimütig einzugestehen „Ich auch nicht.“ Mayer erzählte davon, wie er nach dem Abitur mit dem Motorrad für einige Wochen durch Nordafrika fuhr und sich in die herzliche Lebensweise der Menschen dort verliebte.
Er kehrte nach Deutschland zurück, um sein Studium des Maschinenbaus wieder aufzunehmen. Doch in Deutschland vermisste er die Freundlichkeit im Umgang. Und so schwang er sich auf sein Motorrad und fuhr wieder nach Afrika. Ohne Ziel, ohne Zeitplan, ohne Datum für die Rückkehr. „Es war schön, ohne jeden Termin zu sein“, erinnert er sich. Wieder in Deutschland, wechselte er sein Studienfach. Er studierte Geografie, Ethnologie und Islamwissenschaften. Er wollte „die Sprache der Menschen dort sprechen, um sie besser zu verstehen.“
Studium im Senegal
Einen Teil seines Studiums absolvierte er im Senegal. Dort lernte er neben Arabisch auch Wolof, die Sprache des Landes. Mayer ist fasziniert von den Menschen dort. „Die hatten so wenig, und waren doch gut drauf.“ Die Menschen vertrauten auf Gott, waren sehr „gottesbewusst“, wie Mayer es ausdrückt. Als Beispiel erzählte er, wie er auf einer Reise durch die Wüste mit einigen Gefährten auf ein liegen gebliebenes Auto traf. Der Fahrer hatte nichts zu trinken und nichts zu essen dabei. Mayer und seinen Freunden gelang es, den Wagen zu reparieren. Der Fahrer war gerettet. Noch bevor er seinen Rettern dankte, betete der Fahrer und dankte Gott, dass er die Rettung sandte. „Da hab ich gedacht, na, der is ja gut. Da habe ich noch nicht so viel verstanden.“ Jetzt ist Mayer selbst Muslim. Er studierte den Koran in Freiburg und Afrika. Sein Lehrer gab ihm den Namen „Husamuddin“. Das bedeutet „Klarheit des Glaubens“.
In Afrika lernte er auch seine Frau kennen. Sie stammt aus Burkina Faso. Ihre Familie war zunächst gegen eine Heirat. „So wie man hier viel schlechtes von Afrika hört, hört man in Afrika viel schlechtes über Europa. Kriminalität, unsittliches Leben... Die Mutter meiner Frau wollte ihre Tochter nicht in so einem Land wissen!“ Doch nach Monaten des Werbens konnte er seine heutige Schwiegermutter umstimmen.
Während Mayer im Erzählcafé von seinem Leben berichtete, blieb er merkwürdig distanziert. Nie beschrieb er eigene Gefühle, bestenfalls war „ein Land sehr schön“ oder ein Mensch „beeindruckend“. Aber immer wenn es um Religiöses ging, wurde seine Stimme weich. Mayer erklärte, dass alle westafrikanischen Sprachen in ihren Begrüßungsformeln immer das Wort Frieden enthalten. „Man fragt sich dort: ‚Hast du den Frieden?"
„Ruhe im Herzen zu finden“
Es gehe den Menschen dort darum, „Ruhe im Herzen zu finden“. Dabei sei es hinderlich, wenn man sich zu sehr an Materielles binde, führte Mayer aus. Er lebte im Senegal und in Burkina Faso wie die Einheimischen von wenigen Euro am Tag. Mayer betonte immer wieder die Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfe in diesen Ländern. „Denn jeder weiß, wenn es mir schlecht geht, brauche ich die anderen!“ In Deutschland vertraue man eher auf den Staat. Das sei bedauerlich, so Husamuddin Mayer: „Hartz IV nimmt uns die Barmherzigkeit.“ Er erinnerte an das Gleichnis von Jesus, nach dem eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. „Und ich glaube“ sagte Mayer vorsichtig, „da ist was dran.“
Er berichtete auch von seiner Arbeit in der JVA Wiesbaden. Dort sitzen viele jugendliche Muslime ihre Strafen ab. Die Gefängnisdirektorin engagierte Mayer dort als Seelsorger und Imam, also als Vorbeter. Mayer erzählte von den Jugendlichen, die zum Teil weder „richtig gut Deutsch noch die Sprache ihrer Eltern“ perfekt sprächen. Und er fragte das Publikum „Wie macht man dann sein Leben?“ Die etwa 40 Besucher des Erzählcafes, fast alles Frauen, stellten viele Fragen. Nicht alle teilten die Ansichten von Husamuddin Mayer. Aber seine sanfte und zurückhaltende Art weckte Sympathien. Mayer lebt zur Zeit mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in Biebrich. Er spielt allerdings mit Gedanken, wieder nach Afrika auszuwandern. Timbuktu wäre Husamuddin Mayers liebstes Ziel.
Quelle: Wiesbadener Tagblatt 14.03.2011 - Miles Meier
Foto: Heiko Kubenka