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Islamische Toleranz gegenüber Andersgläubigen
Sheikh Nazim sagt zu Papst Benedikt: "Ich bete für Sie, und Sie beten für mich." Nikosia / Zypern 05.06.2010
Die zweifellos wichtigste Interaktion zwischen Christen und dem Propheten Muhammad fand anlässlich des Besuchs einer Delegation der Christen von Nadschran in Medina statt. In Mekka und Medina lebten nur wenige Christen. (Nawfal ibn Waraqa war einer von ihnen). Die Mehrzahl der Christen auf der Arabischen Halbinsel lebte in Nadschran. Im 9. Jahr nach der Hidschra (631), ein oder zwei Jahre vor seinem Tod, traf der Prophet erstmals mit christlichen Geistlichen zusammen.
Der Prophet Muhammad hatte offizielle Briefe an die Herrscher mehrerer Länder verschickt und sie zum Islam eingeladen. Zwei dieser Briefe richteten sich an die Christen von Nadschranm, welche eine Provinz im südwestlichen Saudi Arabien ist; die gleichnamige Hauptstadt befindet sich in einer großen Taloase. Hier lebte damals eine große christliche Gemeinschaft. Sie wurden von Khaled ibn al-Walid bzw. Ali bin Abi Talib überbracht. Die Christen von Nadschran zeichneten sich damals durch ein sehr gut organisiertes religiöses Leben aus. In vorislamischer Zeit hatten ausländische Lehrer wie z.B. der römische Priester Gregentius die Stadt besucht und ihr sein religiöses Wissen weitergegeben.(Hamiduallah, Muhammad; Muhammad Rasulullah; S. 103)
Als Reaktion auf den Brief des Propheten konvertierten nur wenige Einwohner der Stadt zum Islam. Die meisten von ihnen hielten auch nach der Einladung durch den Propheten an ihrer alten Religion fest. Also entsandte Muhammad ihnen einen Repräsentanten, Mughira ibn Schu’ba, der die Einladung zum Islam erneuern und ihnen die neue Religion näher vorstellen sollte. Die Christen diskutierten mit Mughira und beschlossen, eine eigene Delegation zum Propheten zu entsenden. Diese Delegation bestand aus gut 60 gebildeten Christen: aus einem Bischof, seinen 45 Schülern und 15 anderen Männern. Ihr Ziel war es, Genaueres über die Offenbarungen des Propheten zu herauszufinden.(Ibn Hischam, I, 575)
In Medina angekommen diskutierten die Mitglieder der Delegation aus Nadschran zwei oder drei Tage lang in der Moschee in Medina (in der Masdschid al-Nabawi) mit dem Propheten. Außerdem wurde ihnen gestattet, dort auch zu beten. Hier kam es zum ersten friedlichen Dialog zwischen Christen und Muslimen in der Geschichte. Als die Zeit für ihr Gebet kam, wendeten sie sich in der Prophetenmoschee nach Osten und beteten. Der Prophet Muhammad ordnete an: Lasst sie und sie beteten Richtung Osten ! (Tafsir Ibn Kathir [3:61]) Und zum ersten Mal beteten Christen in einer Moschee. (Ibn Hischam, I, 575-577)
Der Prophet Muhammad hieß die Delegation aus Nadschran herzlich willkommen und stellte ihr einen sicheren Platz in der Nähe der Moschee zur Verfügung, auf dem sie ihr Lager aufschlagen konnte. Seinen Anhängern befahl er außerdem, das Zelt der Gäste aufzubauen. Trotzdem fanden die Delegation und Muhammad in theologischen Begriffen keinen gemeinsamen Nenner. Am Ende des Meinungsaustausches sagte einer der Christen von Nadschran zum Propheten : „O Abu l-Qasim, wir haben uns entschieden, dich so zu nehmen, wie du bist, und du nimmst uns, wie wir sind. Aber schicke uns einen Mann, der die Angelegenheiten bezüglich unserer Besitztümer regelt. Denn wir erkennen dich an.“ Dieser Bitte entsprach der Prophet , und so übergab er der Delegation eine schriftliche Zusicherung, die den Christen von Nadschran den Schutz von Leben, Religion und Besitz garantierte. Das Dokument wurde auch von Zeugen unterzeichnet. Die Christen von Nadschran waren die erste christliche Gemeinschaft, mit denen der Prophet einen Dschizya-Vertrag schloss. Diese Dschizya beinhaltet eine Steuer, die von Nichtmuslimen, die in einem muslimischen Staat leben, gezahlt wird. Weil die Nichtmuslime vom Militärdienst und bestimmten Steuern, die Muslimen auferlegt sind, befreit sind, müssen sie als Ausgleich diese Steuer zahlen. Sie garantiert ihnen im Gegenzug Sicherheit und Schutz.
Zu Beginn der Zusammenkunft hatten Meinungsverschiedenheiten über das Konzept der Dreifaltigkeit im Vordergrund der Gespräche gestanden. Später war man aber dann in der Lage, einen Pakt zu schließen, von dem beide Gemeinschaften profitierten. Dieser Vertrag sollte die folgenden Entwicklungen ganz entscheidend beeinflussen. (Bostanci, Ahmet; Hz. Peygamber’in Gayri Müslimlerle Iliskileri; Istanbul 2001, S. 60, 167)
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