Ansprachevon Sheikh Nazim zumTodestag von Papst Paul Johannes II.
Was ist die Pflicht eines Dieners? Ein Diener muß hören und gehorchen! Wenn ihr einen Diener habt, muß dieser auf euch hören und euch gehorchen, das ist die Definition von Dienerschaft. Wenn ihr einen Arbeiter beschäftigt und dieser nicht auf euch hört und nicht für euch arbeitet, dann ist er kein Arbeiter oder Diener. Wir alle sind Diener! Wessen Diener? Wir sind Diener unseres Herrn, der uns erschaffen, uns das Leben geschenkt und uns mit allem Erdenklichen versorgt hat, noch bevor wirdarum bitten konnten. Der Herr der Himmel ist Einer; Er ist der Sulṭān, und niemalskönnen zwei Könige auf einem Thron sitzen. So wie auf diesem Stuhl hier keine zwei Personen Platz finden können, passen auch keine zwei Könige auf einen Thron. In Europa gab es zur Zeit der Könige bei bestimmten Anlässen zwei Stühle. Bei manchen Zeremonien stellten sie zwei Stühle hin, einen Thron für den König und einen Thron für die Königin. Das war eine Art Brauch bei ihnen. Doch dieser Brauch, zwei Stühle aufzustellen, entspricht keineswegs der ursprünglichen Lehre des Christentums . Während des Zeitalters der Könige vor Jesus Christus – Friede sei mit ihm – saß immer nur der König alleine auf dem Thron, ohne eine Königin. Ich habe nie gehört, daß König Salomon gemeinsam mit seiner Königin auf dem Thron saß – und diese Könige waren gleichzeitig sowohl Herrscher als auch Propheten. Es ist ein neuer, von den Leuten eingeführter Brauch, die Königin neben dem König sitzen zu lassen. Nein, dieser Brauch wurde in keinem der Heiligen Bücher befohlen oder auch nur erwähnt!
Wie ihr und jedermann wißt, besitzt auch der Papst oder Patriarch einen Thron, doch neben ihm sitzt niemals eine oberste Nonne, zu der er sagt: „Was hältst du davon?“ oder die er sonst irgend etwas fragt. Für den Papst gibt es bis heute nur einen ’Heiligen Stuhl‘. Er hat diese Welt verlassen und bis zu seinem Ende hat er diesen alten Brauch bewahrt. Nun ist er aus dieser Welt geschieden – dieser Papst, mit dem die ganze Welt zufrieden war. So viele Menschen waren mit ihm zufrieden, liebten und respektierten ihn. Nun ist er von uns gegangen. Sein Leben war filmreif, wie aus einem Drehbuch, und heute ist dieser Fünfundachtzigjährige aus der Welt geschieden und sein ganzes Leben scheint wie einTraum. Im Fernsehen zeigen sie jetzt Ausschnitte aus diesem, seinem Leben, das nun zu einem Traum geworden ist: Gestern hat er noch gelebt und heute ist sein Leben zuende, und er ist dorthin zurückgekehrt, woher er einst gekommen war. Er glaubte an das Alte und das Neue Testament und, wie mir berichtet wurde, respektierte er auch den Heiligen Qur‘ān und sagte, daß er himmlischen Ursprungs sei. Denn ein Papst kann nicht ein wirklicher Papst sein, ohne alle Heiligen Bücher zu akzeptieren – mag sein, daß er es öffentlich sagt oder heimlich für sich behält. Über ihn ist mir (von dem im letztenRamaḍān verstorbenen syrischen Groß-Mufti Scheikh Aḥmad Kuftāro, dem der Papst dies in einem privaten Gespräch mitgeteilt hatte,) berichtet worden, daß er den Heiligen Qur’ān respektierte. Er akzeptierte, daß der HeiligeQur‘ān vom Himmel herabgesandt wurde (und er verriet Scheikh Aḥmad Kuftāro in jenem Gespräch, daß er niemals schlafen gehe, ohne vorher etwas aus dem Heiligen Qur‘ān rezitiert zu haben). Nun hat er diese Welt verlassen. Er war ein Mensch, der niemals irgend jemandem Schaden zufügte und er gehörte zu den Über-Achtzigjährigen, auf die Allah der Allmächtige schaut und über die Er gesagt hat: „Wer das Alter von achtzig überschreitet, gehört zu Meinen ’Freigelassenen Sklaven‘.“ Sein Gesicht war ein gutes Gesicht. Ich habe den Herrn der Himmel, unseren Herrn, Allah den Allmächtigen, Freitag Nacht um Barmherzigkeit von Seinen endlosen Ozeanen der Barmherzigkeit gebeten und dies wurde angenommen; und eine unserer spirituellen Kräfte war anwesend, als er diese Welt verließ, damit seine Seele nicht von irgend einer schlechten Seele berührt werde, er war beschützt. Dies ist eine frohe Botschaft für all diejenigen, die anderen Menschen Respekt erweisen. Es gehört zu den Eigenschaften des Islam, einem jeden Respekt zu erweisen und aufgrund dessen respektiert zu werden. Aus diesem Grunde gehörte er zu denjenigen, denen Respekt gebührt. Und niemand kann darüber urteilen, in welchem Zustand ein Mensch dieses Leben verläßt. Jeder kommt an einen Punkt, an dem sein Weg ins Paradies führt, doch der Endpunktfür einige ist die Hölle, ihr Weg führt sie in die Hölle. Dies ist eines der Geheimnisse des menschlichen Lebens. Nur einige wenige spirituelle Menschen, Heilige, Gottesfreunde, können Zeuge sein, wenn die Seelen genommen werden, wohin ihr Weg führt – ins Paradies oder in die Hölle – und einige der Eigenschaften erkennen, die Allah der Allmächtige an Seinen Dienern zu sehen liebt und die jene Person ins Paradies bringen. Der Prophet e sagte, daß Imān, Glaube, siebzig verschiedene Ebenen hat. Die höchste davon ist der Glaube an ’Lā ilāha illAllāh Muḥammadu r-Rasūlullāh ‘, die niedrigste besteht darin, ein Hindernis vom Wege zu entfernen. Dies sind die Worte des letzten Propheten , der der gesamten Schöpfung, allen Universen, die ihm zu Ehren erschaffen wurden, Ehre verlieh. Ihm zu Ehren wurde Ādam u erschaffen, Noahuwurde ihm zu Ehren erschaffen, Abrahamuwurde ihm zu Ehren erschaffen; Ismāīl, Isḥāq und sein Sohn, Sayyidunā Yaqūb, und dessen Sohn, Sayyidunā Yūsuf – Allahs Friede sei auf ihnen allen –, wurden ihm zu Ehren erschaffen, ebenso wie die zwölf Stämme, von denen eine Abstammungslinie den Propheten vorbehalten war, aus der dann Sayyidunā Mūsā, Sayyidunā Dāwūd, Sayyidunā Sulaymān, Sayydunā Zakariyā, Sayyidunā Yaḥyā, Sayyidunā ʿĪsā – Friede sei auf ihnen allen – hervorgingen. Sie alle wurden um der Ehre dieses einen Hochgeehrten e willen erschaffen. Jeder der dies akzeptiert, wirdgeehrt sein! Alle, bis auf Schayṭān, der sich geweigert hatte, die Ehrenstellung dieses Hochgeehrten, Sayyidunā Muḥammad e, zu akzeptieren. Was geschah mit ihm, als er hinabstürzte? Er stürzte hinab auf die allertiefste Stufe: Er wurde von einem guten, vorzüglichen Dasein, von dieser schönen Erscheinung (als Azāzīl), in die schmutzigste und häßlichste Gestalt verwandelt, indem er als Schayṭān in das Gewand der Schändlichkeit gekleidet wurde. Er versucht immer noch, die Menschen davon abzuhalten, jenen Hochgeehrten e zu akzeptieren. Doch es macht nichts, Allah der Allmächtige sagt, daß die Ahlu l-Kitāb, diejenigen, denen früher Heilige Schriften gegeben wurden, letztendlich an ihn glauben müssen. Er (der Papst) hat dies akzeptiert. Möge Allah uns und jenem Verstorbenen verzeihen. Er ist nun in der göttlichen Gegenwart seines Herrn und Allah weiß, was Er mit Seinen Dienern tut. Wir sind Diener, Er ist unser Herr, Allah der Allmächtige. Absolute Herrschaft gehört allein Allah dem Allmächtigen – Madad yā Sulṭānu l-Auliyā – deshalb gibt es nur einen Thron, nicht zwei! Der einzige Thron, der göttliche Thron, gehört dem Herrn der Himmel. Keiner sitzt zu Seiner Rechten oder Linken, nein, das kann nicht sein! Meint ihr, daß der Papst rechts und links jemand neben sich sitzen hatte? Und Allah ist kein Mensch! Keiner kann behaupten, unser Herr sei so wie wir, es ist vollkommen unmöglich! Er ist der Herr, der absolute Herrscher, und alle sind seine Diener. Und euer Herr, unser Herr, verlangt von euch, daß ihr euch in Seinen göttlichen Dienst begebt und Ihm dient. Darin besteht unsere Ehre!
Behauptet nicht: „Ich bin dies oder jenes.“ Ja, der Papst trug so viele prächtige Gewänder. Doch wenn man sie wegnimmt, was bleibt dann? Der verstorbene Papst kleidete sich damit und war so an seinen Gewändern deutlich als Papst zu erkennen. Hätte man sie ihm weggenommen und ihm nur eine kurze Hose und ein Hemd gelassen, wer hätte wohl gesagt: „Das ist der Papst“? Wie denn auch? Ein Papst in Shorts und Unterhemd, in Unterwäsche? „Das soll der Papst sein? Ich glaube es nicht!“ hätte einer gesagt. Und ein anderer: „O mein Bruder, man sagt, das sei der Papst!“ „Das glaube ich nicht!“ Doch wenn er in seine päpstlichen Gewänder gekleidet erschien, sagte jeder: „Oh, das ist der Papst.“ Das bedeutet, daß jene Gewänder den Papst ausmachen, nicht er selbst. Ein Mensch, der nur an seinen Kleidern erkannt wird, besitzt selbst keinen Wert. Was nützt es euch, wenn es nur eure Kleider sind, die euch Ehre verleihen? Die Menschen laufen dieser dämlichen Art von Ehre nach, die von Kleidern abhängt, von Paradeuniformen, wieGeneräle sie zu besonderen Anläßen tragen, mit Gürtel und Paradesäbel, damit die Leute staunend fragen: „Wer ist das?“ und wenn sie ihnen weggenommen werden, stehen sie da wie die Ochsen und die Leute sagen: „Das soll ein Feldmarschall sein? Wie kann das sein? Schau ihn dir doch an!“ Wenn es diese Kleider sind, die euch Ehre verleihen, bedeutet das, daß ihr Nichts seid! Nach den Regeln des islamischen Rechts werden euch deshalb, wenn ihr sterbt, alle Kleider ausgezogen und der Diener, der diese Welt verläßt, sieht sich selbst und wartet und schaut, welche Art von Kleidern ihm von den Himmeln gesandt werden. Wenn die Engel himmlische Gewänder herabbringen – das ist wahre Ehre: ein Ehrengewand, das vom Himmel kommt und nicht von den Menschen! Doch die Menschen betrügen sich selbst mit solch unsinnigen Dingen wie Dekorationen, stecken sich Orden an und posieren vor dem Spiegel: „So muß ich aussehen.“ – Sie können nicht einmal mehr lächeln. Wenn man sagt: „Lach doch mal!“, sagen sie: „Nein, ich kann nicht!“ O ihr Menschen, schaut danach, in welches Gewand ihr am letzten Tag gekleidet werdet, wenn euch die Kleider dieser Welt ausgezogen werden: ein Ehrengewand oder ein Gewand der Schande? Wenn ihr in Ehrengewänder gekleidet werden möchtet, dann haltet euch an Seinen Dienst, dann werdet ihr in die Ehrengewänder der Dienerschaft gekleidet werden. Darin besteht eure Ehre! Möge Allah uns vergeben und euch segnen, damit ihr Seine endlosen Meere der Vergebung erreicht! Wir bitten unseren Herrn, Allah den Allmächtigen, um Verzeihung: O unser Herr, vergib uns um der Ehre des Meistgeehrten in Deiner göttlichen Gegenwart, Sayyidunā Muḥammad willen!
Al Fatiha.
Übersetzung aus dem Englischen: Abd al-Hafidh Wentzel, Warda Publikationen, nach einem englischen Transkript von Khairiyah Siegel
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