Sufizentrum Braunschweig
  Ahmad ibn Khazruya
 

Ahmad ibn Khazruya

 

Abu Hamid Ahmad ibn Khazruya al-Balkhi, ein bekannter Gelehrter aus Balkh, heiratete die fromme Tochter dieser Stadt und war ein Zeitgenosse mit Hatem al-Asamm und Abu Yazid al-Bestami. Er besuchte Nishapur und starb 240 (864) im Alter von 95.

 

Ahmad ibn Khazruya und seine Frau

 

Ahmad ibn Khazruya hatte an die tausend Schüler, von denen alle auf dem Wasser zu gehen und durch die Luft zu fliegen verstanden.

Ahmad war stets in Militäruniform gekleidet. Fatima, seine Frau war ein Omen auf dem Sufiweg. Sie war eine Tochter des Prinzen von Balkh. Nach ihrer Bekehrung sandte sie eine Nachricht an Ahmad.

Bitte meinen Vater um meine Hand:“

Ahmad antwortete nicht. Da sandte sie eine zweite Aufforderung.

Ahmad, ich glaubte, du wärst mehr Mann. Sei ein Führer, kein Wege­lagerer!“

Ahmad sandte einen Brautwerber zu ihrem Vater, um ihre Hand zu begehren. Ihr Vater, der dadurch um Gottes Segen bat, stimmte zu. Fatime nahm Abschied von dieser Welt und fand ihre Ruhe in der Einsam­keit mit Ahmad zusammen.

So verging die Zeit, bis Ahmad beschloss Abu Yazid zu besuchen. Fatima begleitete ihn und als sie in Abu Yazid’s Gegenwart waren, hob Fatima ihren Schleier und begann eine Unterhaltung mit Abu Yazid. Ahmad war außer sich vor Eifersucht, die in seinem Herzen Platz griff.

Fatima, welche Kühnheit ist in dich gefahren, die du bei Abu Yazid gezeigt hast?“ schrie er.

Du bist intim mit meinem natürlichen Selbst. Abu Yazid ist intim mit meinem geistigen Weg. Du verstärkst meine Leidenschaft, doch er erhebt mich zu Gott“, gab Fatima zur Antwort. „Der Beweis dafür ist, dass er Anwesenheit aussetzen kann, wohingegen du mich brauchst.“

Abu Yazid war sehr kühn und offen mit Fatima, bis eines Tages er ihre Hände bemerkte, die mit Henna gefärbt waren.

Fatima, warum hast du Henna aufgetragen?“ fragte er.

Abu Yazid, bislang hast du nie meine Hände betrachtet und das Henna bemerkt,“ antwortete Fatima.

Bislang war ich ungezwungen in deiner Gegenwart. Nun, da deine Augen auf meine Hände gefallen sind, ist es nicht mehr recht für mich, deine Gesellschaft aufrecht zu halten.“

Ich bat Gott“, sagte Abu Yazid, „Frauen in meinen Augen nicht bemerkenswerter denn eine Wand zu machen. Diesen Wunsch hat er mir erfüllt.“

Danach gingen Ahmad und Fatima nach Nishapur, wo sie herzlich willkommen geheißen wurden. Als Yahya ibn Mu’adh ibn Razi auf seinem Weg nach Balkh durch die Stadt kam, wollte Ahmad eine Party für ihn veranstalten. Er beriet sich mit Fatima.

Was brauchen wir für eine Party für Yahya?“ fragte er sie.

So viele Ochsen, so viele Schafe,“ sagte sie.

Weiters, so viele Kerzen und so viele Bündel Rosen und – noch einige Esel.“

Warum müssen wir Esel töten?“ fragte Ahmad.

Wenn ein edler Herr zum Essen kommt“, erklärte Fatima, „müssen die Hunde aus dem Viertel ihren Anteil bekommen.“

Solcherart war die Ritterlichkeit, durch welche Fatima durchdrungen war, dass Ahmad rief, „Wenn irgendjemand einen wahrhaftigen Mann, verborgen in den Kleidern einer Frau sehen möchte, der sehe auf Fatima.“

 

Ahmad ibn Khazruya ringt mit seiner Seele

 

Ahmad ibn Khazruya erzählte folgendes.

Lange Zeit habe ich meine fleischliche Seele unterdrückt. Eines Tages brach ein Abteilung zum Kampf auf und große Lust sie zu begleiten überkam mich. Meine Seele rief mir einige Aussprüche des Propheten ins Gedächtnis, die von den Belohnungen im Himmel redeten, die für den Kampf um Allahs Sache versprochen waren. Ich war erstaunt.

Meine Seele ist nicht immer so bereit zu gehorchen“, sagte ich.

Vielleicht ist dies deswegen, weil ich sie immer zu fasten zwinge. Meine Seele kann das hungern nicht länger ertragen und wünscht das Fastenbrechen.“ So sagte ich, „Ich breche das Fasten nicht auf einer Reise.“

Damit bin ich schon einverstanden“, antwortete meine Seele.

Vielleicht sagt dies meine Seele, weil ich ihr das Gebet in der Nacht befohlen habe. Daher möchte sie auf diese Reise gehen, damit sie schlafen und Ruhe finden könne.“ So sagte ich, „Ich will dich bis zum Morgen wach halten.“

Damit bin ich schon einverstanden“, sagte meine Seele.

Da war ich noch mehr überrascht. Ich dachte, meine Seele sagte dies, weil sie mit anderen Menschen zusammenkommen mochte und der Einsamkeit überdrüssig war und in Gesellschaft Gefallen finden wollte. So sagte ich. „Wo ich dich auch immer hintrage, werde ich dich von anderen getrennt lagern und ich werde nicht mit anderen Menschen sitzen.“

Damit bin ich schon einverstanden“, wiederholte meine Seele.

Nicht mehr weiter wissend, richte ich mich in Demut meine Bitte an Gott, er möge mir die durchtrieben Machenschaften meiner Seele offenbaren oder mein Seele zu einem Geständnis veranlassen. Da sprach meine Seele.

Jeden Tag tötest du mich hunderte male, indem du meine Wünsche zurückweist und niemand nimmt dies wahr. In diesem Krieg möchte ich endgültig getötet werden und so die Freiheit erlangen, die dann aller Welt verkündet werden wird. „Bravo, Ahmad ibn Khazruya! Sie haben ihn getötet und die Krone des Martyriums ist ihm verliehen worden.“”

Ehre sei Gott“, rief ich, „der eine Seele zu ihren Lebzeiten so heuchlerisch erschaffen, und sie nach ihrem Tode heuchlerisch belässt. Niemals werde ich ein aufrechter Muslim sein, weder in dieser noch in der nächsten Welt. Ich dachte, du suchtest Gott zu gehorchen. Mir war nicht bewusst, dass du mich zu umgarnen suchtest. Danach verdoppelte ich meine Bemühungen gegen meine Seele.

 

Anekdoten über Ahmad ibn Khazruya

 

Ein Einbrecher war in Ahmads Haus eingestiegen. Er suchte und suchte – doch er fand rein gar nichts. Er wollte gerade unverrichteter Ding wieder abziehen, als Ahmad ihm zurief.

Hey, du junger Mann, nimm den Eimer und hole Wasser aus dem Brunnen und wasche dich und dann wende dich dem Gebet zu. Wenn in der Zwischenzeit irgendetwas hereinkommt, will ich es dir geben, damit du nicht mit leeren Händen mein Haus verlassen musst.“

Der junge Mann tat, was ihn Ahmad gebeten hatte. Bei Tagesanbruch brachte ein wohltätiger Herr dem Scheich hundert Dinare.

Nimm dies als Lohn für die Nacht, die du ihm Gebet verbracht hast“, sagte dieser zu dem Dieb.

Dieser begann darauf am ganzen Leib zu zittern und brach in Tränen aus.

Ich habe den falschen Weg gewählt“, rief er, „Ich habe für Gott nur eine Nacht gearbeitet und er hat mich dermaßen belohnt.“ In Reue bekehrte er sich wieder zu Gott, verweigerte die Annahme des Goldes und wurde ein Schüler Ahmads.

Eines Tages kam Ahmad in zerschlissener Kleidung an eine Sufi Einkehr. In der Tradition der Sufis hatte er sein ganzes Selbst geistigen Aufgaben gewidmet. Die die dort anwesenden Brüder bezweifelten allerdings seine Aufrichtigkeit und wisperten ihrem Scheich zu, „der gehört nicht hier her!“

Eines Tages ging Ahmad zum Brunnen und sein Kübel fiel ihm hinein. Die anderen Sufis beschimpften ihn. Ahmad wandte sich an den Vorsteher.

Rezitiere doch die Fatiha, damit der Kübel wieder aus dem Wasser auftaucht“, bat er diesen.

Was für eine sonderliche Bitte ist das?“ meinte der Scheich erstaunt.

Wenn du es nicht tun willst,“ sagte Ahmad, „ erteile mir die Erlaubnis dafür:“

Der Scheich gestattete es ihm und Ahmad sprach die Fatiha. Sofort stieg der Kübel an die Wasseroberfläche. Als der Vorsteher dies sah, nahm er seine Kappe vom Kopf.

Junger Mann, wer bist du, dass mein gemahlenes Mehl, Abfall ist im Vergleich zu deinem Korn?“ fragte er.

Sage deinen Gefährten Reisenden“, sagte Ahmad, „mit weniger Nichtachtung zu begegnen.“

Einmal kam ein Mann zu Ahmad und sagte, „Ich bin arm und krank. Zeig mir einen Weg diesen Heimsuchungen zu entkommen.“

Schreibe den Namen jedes Berufes auf ein Stück Papier“, antwortete Ahmad. „Stecke die Zettel in einen Beutel und bring sie mir.“

Der Mann tat wie ihm geheißen und Ahmad steckte seine Hand in den Beutel und zog einen Zettel heraus. „Dieb“ stand darauf geschrieben.

Du musst ein Dieb werden“, sagte er dem Mann.

Der Mann war verblüfft. Dennoch machte er sich auf und schloss sich einer Bande Wegelagerer an.

Ich habe einen fable für diesen Beruf,“ erzählte er ihnen, „was muss ich tun?“

Eine Regel musst du beachten,“ sagten sie ihm. „Was immer wir dir befehlen, musst du tun.“

Ich werde mich genau an eure Anweisungen halten“, versicherte er den Gaunern.

Er war schon einige Tage unter ihnen, als sich eine Karawane näherte. Sie überfielen diese Karawane und brachten einen wohlha­ben­den Reisenden zu ihrem neuen Kollegen.

Schneide ihm die Kehle durch“, befahlen sie ihm.

Der Mann zögerte.

Das Oberhaupt dieser Räuber hat so viele Leute umgebracht“, sagte er zu sich selbst, „vielleicht ist es besser, ich schneide ihm die Kehle durch, anstatt diesem Kaufmann.“

Du musst unseren Befehlen gehorchen“, erinnerte ihn der Räuberhauptmann, „oder du verschwindest und suchst dir einen an­deren Job.“

Wenn ich schon Befehle ausführen muss,“ sagte sich der Mann, „so will ich Gottes Befehle ausführen und nicht die dieses Räubers.“

Er zog sein Schwert, befreite den Kaufmann und schlug dem Anführer der Räuberbande den Kopf ab. Als die anderen Spießgesellen dies sahen, flohen sie Hals über Kopf. Alle Handelswaren blieben unberührt und der Kaufmann rette sein Leben. Er gab dem Mann soviel Gold und Silber, dass sich dieser selbstständig machen konnte.

Eines Tages bewirtete Ahmad mit großer Gastfreundlichkeit einen Derwisch. Ahmad zündete einige Kerzen an.

Das gefällt mir nicht”, sagte der Derwisch, “Umstände zu machen geziemt sich nicht im Sufitum.”

Dann geh“, sagte Ahmad, „und lösche jede Kerze, die ich nicht um Gottes Willen entzündet habe.“

Die ganze Nacht bemühte der Derwisch Erde und Wasser und konnte dennoch nicht eine einzige Kerze auslöschen.

Warum so überrascht“, fragte Ahmad den Derwisch am nächsten Morgen. „Komm mit mir, und du wirst wirklich wunderbare Dinge sehen.“

Sie brachen auf und kamen an eine Kirchentür.

Als der christliche Diakon Ahmad und seinen Gefährten erblickte, lud der Pfarrer die beiden einzutreten ein. Er bereitete eine Tafel für sie und bat sie zu essen.

Freunde essen nicht mit Feinden“, merkte Ahmad an.

Biete uns den Islam an“, sagte der Pfarrer.

Ahmad tat genau so und siebzig der Anwesenden nahmen den Islam an. In dieser Nacht hatte Ahmad einen Traum, indem Gott zu ihm sprach.

Ahmad, du hast siebzig Kerzen um Meinetwillen entzündet. Ich habe für Dich siebzig Herzen mit dem Licht des Glaubens erleuchtet.“

Geschichten aus dem

Tadhkirat al-Auliya’

(Erinnerung an die Heiligen)

von Farid ud-Din ATTAR

Übersetzt von M.M. Hanel

 

 
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