Habib al-Ajami
Habib ibn Mohammad al-‘Ajami al-Basri, ein Perser der sich in Basra niedergelassen hatte, war ein beachteter Überlieferer, der von Hasan al Basri, Ibn Sirin und anderen Persönlichkeiten berichtet hatte. Seine Bekehrung von einem bequemen Leben der Genusssucht war durch al Hasans Redekunst eingeleitet worden; er war ein häufiger Zuhörer seiner Vorträge und wurde einer seiner engsten Gefährten.
Die Geschichte von Habib dem Perser
Habib war ein vermögender Mann und ein Wucherer. Er lebte in Basra und machte jeden Tag seine Runde unter seinen Kunden, um sie zu dun. Wenn er kein Geld von ihnen bekam, stellte er ihnen den Abrieb seiner Ledersohlen in Rechnung. Auf diese Art verschaffte er sich seine Tageseinkünfte. Eines Tages ging er zu einem seiner Schuldner. Da er ihn nicht zu Hause antraf, verlangte er Entgelt für den Verschleiß seiner Schuhsohlen.
„Mein Mann ist nicht zu Hause“, erklärte ihm des Schuldners Frau“, und ich habe nichts was ich dir geben könnte. Wir haben ein Schaf geschlachtet und nur der Hals ist mehr übrig. Wenn du willst, gebe ich ihn dir.“
„Das ist zumindest etwas“, meinte der habgierige Mensch im Glauben, er könnte ihr den Hals abnehmen und mit nach Hause tragen. „Stell einen Topf aufs Feuer“.
„Ich habe weder Brennholz noch Brot“, antwortete die Frau.
“Na gut, ich werde beides besorgen”, erwiderte der Mann “und es wird zum Schuhleder dazugerechnet.”
Er ging und besorgte beides und die Frau stellte den Topf auf. Als alles fertig gekocht war und die Frau den Inhalt in eine Schale gießen wollte, klopfte ein Bettler an die Tür.
„Wenn wir dir geben was wir haben“, schrie in Habib an, „wirst du nicht reicher, aber wir werden selbst arm werden.“
Der Bettler, verzweifelt, bat die Frau doch etwas in die Schale zu schütten. Sie hob den Deckel des Kochtopfs und stellte fest, dass sich all sein Inhalt in schwarzes Blut verwandelt hatte. Weiß vor Schreck lief sie zu Habib und führte ihn zu dem Topf.
„Schau was uns nun wegen deiner verdammten Gier und Schreierei passiert ist!“ rief sie. „Wie wird es uns jetzt in dieser Welt und ganz zu schweigen von der nächsten ergehen?“
Als er das sah, fühlte Habib in sich ein Feuer entflammen, welches nie wieder erlöschen sollte.
„Frau“, sagte er“, „ich bereue alles was ich getan habe.“
Nächsten ging er wieder auf seine Kundentour. Es war ein Freitag und die Kinder spielten auf den Strassen. Als sie Habib erblickten fingen sie zu rufen an.
„Da kommt Habib der Geizhals. Lauft weg, denn wenn sich sein Staub auf uns legt, werden wir so verdammt wie er!“
Durch diese Worte tief verletzt, ging Habib weiter zur Moschee wo gerade Hasan von Basra in einer Versammlung etwas sprach, was Habib geradewegs ins Herz traf und er fiel stracks darauf hin in Ohnmacht. Als er aufwachte, war er von tiefer Reue überkommen. Hasan, der erkannt hatte was passiert war, nahm ihn bei der Hand und beruhigte ihn.
Als er von der Versammlung wegging, entdeckte ihn einer seiner Schuldner, der sich sofort davon machen wollte.
„Lauf nicht weg“, rief ihn Habib. „Bis heute war es so, dass du von mir weglaufen musstest; nun ist es so, dass ich von dir fliehen muss.“
Und er ging weiter und traf wieder auf die spielenden Kinder. Als diese Habib erblickten, begannen sie wieder zu rufen.
„Hier kommt Habib der Reumütige, lauft weg, damit unser Staub sich nicht auf ihm niederlässt, denn wir sind sündig im Gesicht Gottes.“
„Mein Herr und Gott!“ rief Habib „Aufgrund des heutigen Tages habe ich meinen Frieden mit Dir gefunden, Du hast die Trommeln der Herzen der Menschen für mich schlagen lassen und meinen Namen als tugendhaft verkünden lassen.“
Dann ließ er verlautbaren.
„Wer immer etwas von Habib begehrt, er trete vor und hole es sich.“
Also kamen die Leute und er verschenkte all seinen Besitz bis auf den letzten Cent. Da kam noch einer der etwas verlangte und Habib, der schon nichts mehr besaß, gab ihm den Umhang seiner Frau. Einem anderen gab er sein Hemd und blieb unbekleidet zurück. Er zog sich in die Einsiedelei in der Nähe des Euphrats zurück und gab sich dort ganz dem Gottesdienst hin. Tag und Nacht lernte er von Hasan, doch schaffte er es nicht die Qur’an Rezitation zu erlernen. Daher stammt sein Spitzname „der Barbar“.
Die Zeit verging und er war völlig mittellos geworden und eines Tages seine Frau verlangte unablässig Haushaltsgeld von ihm. So ging Habib aus dem Haus in seine Einsiedelei um seine Anbetungen wieder aufzunehmen. Als die Nacht anbrach, kehrte er nach Hause zu seiner Frau zurück.
„Wo hast du gearbeitet, dass du gar nichts mit nach Hause bringst?“ wollte seine Frau wissen.
„Der mit dem ich arbeitete, ist so großherzig“, erwiderte Habib, „dass ich es nicht wage, Ihn um etwas zu bitten. Wenn die rechte Zeit kommt, wird er mich auszahlen, denn er sagt, „Ich zahle alle zehn Tage den Lohn.““
Jeden Tag zog Habib sich also in seine Einsiedelei zur Andacht zurück, bis zehn Tage um waren. Am zehnten Tag, so um die Zeit des Mittagsgebets kam ihm ein Gedanke in den Sinn.
„Was werde ich heute mit nach Hause kommen, und was werde ich meiner Frau erzählen?“
Dieser Gedanke beschäftigte ihn sehr. Sofort schickte ihm der Allmächtige Gott einen Träger zu seinem Haus mit einer ganzen Eselladung Mehl, einer weiteren mit gehäuteten Schafen und noch einer mit Öl, Honig, Gewürzen und Früchten. Die Träger luden alles auf, die von einem hübschen jungen Mann begleitet wurden, der eine Börse mit dreihundert Silberdinaren mit sich trug. Vor Habibs Haus angekommen, klopfte dieser an die Eingangstür „Was wollt ihr?“ fragte Habibs Frau, die die Tür aufgemacht hatte.
„Der Meister hat all dies geschickt“ antwortete der hübsche Jüngling. „Richte Habib aus, „Steigere deine Ergebnisse und wir werden deinen Lohn erhöhen.““
Danach ging er fort. Am Abend machte sich Habib auf den Heimweg, ganz beschämt und betrübt. Als er zu seinem Haus kam, stieg ihm der Duft von Brot und Braten in die Nase. Seine Frau kam ihm grüßend entgegengelaufen, strich ihm zärtlich über das Gesicht und war nett zu ihm, wie noch niemals zuvor.
„Mann“ rief sie, „der Herr für den du arbeitest ist wirklich ein großzügiger und äußerst netter Mann. Sieh mal, was er durch einen feschen Jüngling schicken hat lassen. Und der junge Mann hat ausrichten lassen: „Wenn Habib nach Hause kommt, sag ihm, er soll seine Ergebnisse steigern, dann werden wir seinen Lohn erhöhen.““
Habib war erstaunt.
„Wundervoll“, rief er aus. „Ich arbeitete zehn Tage und er ließ mir dafür all diese Wohltaten zuteil werden. Wenn ich mich mehr anstrenge, wer weiß, was er dann tun wird?“
Er wandte darauf seine Aufmerksamkeit gänzlich weg von weltlichen Dingen und gab sich vollständig dem Gottesdienst hin.
Habibs Wundertaten
Eines Tage kam eine alte Frau zu Habib, fiel ihm vor die Füße und weinte bitterlich.
„Ich habe einen Sohn, der nun lange Zeit von mir fort war. Ich kann seine Abwesenheit nicht mehr länger ertragen. Bete zu Gott.“ flehte sie Habib an. „Es könnte sein, dass durch den Segen deines Gebetes Gott ihn zu mir zurück schicken wird.”
„Hast du Geld?“ fragte Habib.
„Ja, zwei Dirham“, antwortete sie.
„Bring sie und gib sie den Armen.“
Und Habib sprach ein Gebet und sprach dann zu der Frau.
„Geh nach Hause, dein Sohn ist zu dir zurückgekehrt.“
Die alte Frau war noch nicht zuhause angelangt, als sie schon ihren Sohn erblickte. Unter Freudengeschrei brachte sie ihn zu Habib.
„Was ist passiert?“ wollte Habib von diesem wissen.
„Ich war in Kerman“ antwortete der Sohn „als mein Lehrer mich beauftragte etwas zu essen zu holen. Ich hatte das Essen in Empfang genommen, als mich ein Wind ergriff und ich eine Stimme vernahm,
„Wind, trag ihn nach Hause, bei Habibs Segen und der beiden Dirhams, die in Almosen ausgegeben wurden.““
Einmal wurde Habib am 8ten Dhul Hidjscha in Basra gesehen und am 9ten auf dem Berg Arafat in Mekka.
Einmal war der Hunger in Basra ausgebrochen. Habib kaufte viel an Lebensmittel auf Kredit und spendete diese als Almosen. Er nahm seine Börse und legte sie unter sein Kopfkissen. Als die Händler kamen und ihre Bezahlung forderten, nahm er die Börse heraus und sie war mit Dirhams gefüllt, mit denen er seine Verpflichtungen beglich.
Habib besaß in Basra ein Haus an einer Kreuzung. Er hatte auch einen Pelzmantel, den er Winter und Sommer trug. Als er einmal die rituelle Waschung zu vollziehen hatte, stand er auf und ließ seinen Mantel am Boden liegen. Hasan von Basra kam gerade vorbei und sah den Mantel achtlos am Boden hingeworfen.
„Diese Barbaren“, meinte er, „haben keine Vorstellung vom Wert eines solchen Mantels. Man sollte ihn nicht einfach hier liegen lassen, er könnte abhanden kommen.“
Also blieb er stehen und passte auf den Mantel auf. Kurz darauf kam Habib zurück.
„Imam der Muslime“, rief er, nachdem er gegrüßt hatte „warum stehst du hier?“
„Weißt du nicht“, erwiderte Hasan, dass so ein Mantel nicht unbewacht bleiben sollte. Er könnte fort kommen. In wessen Aufsicht hast du ihn hinterlassen? “
“Unter der Aufsicht Dessen, Der dich dazu bestimmt hat darauf aufzupassen“ war Habibs Antwort.
Eines Tages besuchte Hasan den Habib. Dieser setzte dem Hasan all sein Brote und ein wenig Salz vor. Hasan begann zu essen, als ein Bettler an der Tür erschien. Habib gab das ganze Brot und Salz diesem Bettler. „Habib“, bemerkte Hasan, „du bist ein würdiger Mann. Wenn du nur auch ein wenig Verstand hättest, wäre dies besser. Du hast das Brot unter der Nase deines Gastes weggeschnappt und alles diesem Bettler gegeben. Du hättest ihm einen Teil davon und den anderen Teil deinem Gast überlassen sollen.“
Habib blieb still und sagte gar nichts darauf. Kurz darauf erschien ein Sklave mit einem Korb auf dem Kopf. Darin war geröstetes Lamm, saftiges Fleisch, frisches Brot und fünfhundert Silber Dinare. All das stellte er vor Habib nieder. Der verteilte das Geld an die Armen und das Essen stellte er vor Hasan hin.
„Meister“, sagte er, nachdem Hasan etwas von dem gerösteten Fleisch gegessen hatte, „du bist ein guter Mann. Wenn du ein wenig mehr Glauben hättest, wäre das besser. Wissen muss von Glauben begleitet werden.“
Eines Tages suchten Beamte des Hajiaj nach Hasan, der sich in der Klause des Habib versteckt hatte.
„Hast du heute Hasan gesehen?“ wollten die Beamten von Habib wissen.
„Ich hab’ ihn gesehen“, antwortete Habib.
„Wo war das?“
„Hier in dieser Klaus.“
Die Beamten traten ein, doch sie konnten Hasan einfach nicht finden. (Siebenmal haben ihre Hände mich berührt, doch sie konnten mich einfach nicht sehen“, berichtete Hasan später.)
„Habib“, sagte Hasan, als er die Klause verließ, „du hast deine Pflicht gegen deinen Meister nicht erfüllt. Du hast mich verraten.“
„Meister“, gab Habib zurück, „weil ich die Wahrheit sagte, bist du entkommen. Hätte ich gelogen, wären wir beide verhaftet worden.“
„Was hast du gebetet, dass sie mich nicht gesehen haben“, wollte Hasan wissen.
„Ich habe den Thron Vers zehnmal gesprochen“, antwortete Habib. „Zehnmal sagte ich die Glaubenssätze des Gesandten und zehnmal sagte ich „Kull Huwa Allahu Ahad“. Dann sagte ich, „O Gott ich habe Hasan nun Dir überantwortet. Wache über ihn.““
Einmal wollte Hasan an einen bestimmten Ort gelangen. Er ging hinunter zum Ufer des Tigris und dachte nach, als Hasan des Weges kam.
„Imam“, fragte Habib, „was stehst du hier?“
„Ich will dort und dort hin“, antwortete Hasan, „und das Boot hat Verspätung.“
„Was ist los mit dir?“ wollte Habib wissen. „Alles was ich weiß habe ich von dir gelernt. Verbanne allen Neid aus deinem Herzen und verschließe es vor allen weltlichen Dingen. Wisse, dass Leiden ein kostbarer Preis zu zahlen ist und alles die Angelegenheit Gottes ist. Also setz deinen Fuß auf das Wasser und geh.“
Mit diesen Worten trat Habib vor und ging über das Wasser davon. Hasan fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich gekommen war, fragten ihn die Leute.
„Imam der Muslime, was ist dir passiert?“
„Mein Schüler Habib hat mir gerade eine Lehre erteilt“, gab er Auskunft. „Und dann ist er einfach über das Wasser davon gegangen, während ich dies nicht zu tun vermag. Wenn sich morgen eine Stimme erhebt und ruft: „Schreite über dieses Feuer hinweg“ und ich bleibe dazu unfähig wie heute, was kann ich da tun?“
Später fragte Hasan Habib: „Wie hast du diese Fähigkeit bekommen?“
„Ich mache mein Herz weiß, wohingegen du Papier schwärzt“, antwortet ihm Habib.
„Meine Gelehrsamkeit hat wohl anderen genutzt, doch nicht mir“, kommentierte Hasan dazu.
Geschichten aus dem
Tadhkirat al-Auliya’
(Erinnerung an die Heiligen)
von Farid ud-Din ATTAR
Übersetzt von M.M. Hanel