Ma‘ruf al-Karkhi
Abu Mahfuz Ma‘ruf ibn Firuz al-Karkhi hatte angeblich christliche Eltern. Die Geschichte seiner Konversion durch den schiitischen Imam Ali ibn Musaal Reza gilt allgemein als unglaubwürdig. Er war ein bekannter Mystiker der Bagdader Schule und er starb um 200 (815)
Wie sich Ma‘ruf al-Karkhi für den Islam entschied.
Ma‘ruf al-Karkhis Eltern waren beide Christen. Als sie ihn in die Schule schickten, sagte sein Lehrer zu ihm, „Sag, Gott ist einer von drei.“
„Nein“, antwortete Ma‘ruf. „Ganz im Gegenteil ,,Er ist Gott, der Eine.“
Der Lehrer schlug ihn, doch ohne Erfolg. Eines Tages schlug ihn der Lehrer ganz heftig, bis Ma‘ruf davon lief und ihn keiner finden konnte.
„Wenn er nur zurückkommen würde“, sagten seine Eltern, „welcher Religion
er sich auch anschließen möchte, wir wären damit einverstanden.“
Ma‘ruf ging darauf zu Ali ibn Musa al Reza und nahm aus seinen Händen den Islam an. Danach verstrich noch einige Zeit, bis er wieder nach Hause zurückkehrte und an seines Vaters Tür klopfte.
„Wer ist da?“ fragten sie.
„Ma‘ruf“, antwortete er.
„Welchem Glauben folgst du?“
“Der Religion Muhammads, des Gesandten Gottes.“
Darauf wurden seine Mutter und sein Vater sofort Muslime.
Danach begab sich Ma‘ruf unter die Fittiche von Dawud ibn Ta’i und unterzog sich einer harten Schulung. Er zeigte sich dermaßen ergeben und von solcher Enthaltsamkeit, dass seine Standfestigkeit überall bekannt wurde.
Muhammad ibn Mansur al-Tusi erzählte, dass er Ma‘ruf in Bagdad getroffen hatte.”
„Ich bemerke einen Kratzer in deinem Gesicht“, sagte ich zu ihm, „den ich gestern noch nicht bemerkt habe. Was ist passiert?“ „Frag nicht, was dich nicht betrifft“, war seine Antwort, „frag nur nach solchen Dingen, welche dir nützlich sind.“ „Bei dem Recht Dessen, den wir anbeten“, bettelte ich, „verrate es mir.“
Dann erzählte er mir folgendes. „Letzte Nacht im Gebet wünschte ich mir, in Mekka zu sein und die Kaaba zu umrunden. Ich ging zum Zam Zam Brunnen um einen Schluck Wasser zu trinken. Ich rutschte aus und schlug am Brunnenrand auf. Davon habe ich diesen Kratzer.“
Eines Tages ging Ma‘ruf zum Tigris hinunter um seine Gebetswaschung vorzunehmen und hatte seinen Qur’an und Gebetsteppich in der Moschee zurück gelassen. Eine alte Frau schlich sich in die Moschee und nahm seine Sachen fort. Ma‘ruf rannte hinter ihr her. Als er sie eingeholt hatte sprach er sie züchtig mit gesenktem Blick an.
„Hast du einen Sohn, der den Qur’an zu rezitieren weiß?“
„Nein“, antwortete sie.
„Gib mir nur den Qur’an zurück. Den Teppich kannst du behalten.”
Die Frau war ob seiner Freundlichkeit völlig überrascht und stellte beide Sachen zu Boden.
„Nein,“ wiederholte Ma‘ruf, „du kannst den Teppich behalten, er gehört jetzt wirklich dir.“
Die Frau eilte verschämt und verwirrt davon.
Anekdoten über Ma‘ruf
Eines Tages war Ma‘ruf mit seinen Gefährten unterwegs, als sie auf eine Gruppe Jugendlicher trafen, die sich den ganzen Weg zum Tigris hinunter völlig ungehörig benahmen.
„Meister“, verlangten seine Gefährten, „bete zum Allmächtigen Gott, dass Er diese Gangster alle ersäufen möge, damit die Welt von ihnen befreit wäre.
„Hebt eure Hände“, forderte Ma‘ruf sie auf. Dann betete er.
„O Gott, so wie Du ihnen ein lustiges Leben im Diesseits beschert hast, gewähre ihnen auch ein solches im Jenseits.“
„Meister, wir begreifen das Geheimnis hinter deinem Gebet nicht“, riefen seine Gefährten verwundert.
„Der mit dem ich spreche, kennt das Geheimnis“, erwiderte Ma‘ruf, „wartet einen Moment und euch wird gleich das Geheimnis offenbart.“
Als die Jugendlichen den Scheich bemerkten, zerbrachen sie ihre Lauten und schütteten den Wien aus den sie tranken. Das Zittern überkam sie und sie fielen bereuend vor dem Scheich auf die Knie.
„Seht ihr“, bemerkte Ma‘ruf zu seinen Gefährten. „Euer Wunsch ist vollständig in Erfüllung gegangen, ohne jemanden zu ersäufen oder jemanden zu quälen.“
Sari ibn Saqati erzählt folgende Begebenheit.
An einem Feiertag sah ich Ma‘ruf Dattelkerne von der Straße aufsammeln.
„Was machst du da?“ fragte ich ihn.
„Ich sah ein Kind weinen“, sagte er mir, „und als ich es nach dem Grund fragte, sagte es mir, dass es eine Waise ohne Vater und Mutter wäre. Die anderen Kinder hätten alle neue Kleider bekommen und Nüsse und es weder das eine noch das andere. Deswegen sammle ich jetzt diese Kerne, damit ich sie verkaufen und dem Kind dafür ein paar Nüsse kaufen kann, damit es fröhlich mit den anderen Kindern spielen kann.“
„Ich will mich um diese Sache kümmern und sie dir abnehmen“, sagte ich zu Ma‘ruf. Ich gab dem Kleinen neue Sachen zum Anziehen, kaufte ihm Nüsse und machte ihn glücklich. Da empfand ich ein helles Licht in meinem Herzen und mir geschah die Verwandlung.“
Ma‘ruf hatte einen Onkel der Bürgermeister einer Stadt war. Eines Tages ging dieser an einem Stück Ödland vorbei und bemerkte Ma‘ruf, der dort saß und ein Stück Brot verspeiste. Vor ihm saß ein Hund und Ma‘ruf steckte ihm und sich selbst jeweils abwechselnd einen Brocken in den Mund.
„Sag einmal, schämst du dich nicht, mit einem Hund zu essen?“, rief sein Onkel.
„Weil ich mich schäme“, rief Ma‘ruf zurück, „gebe ich den Armen zu essen.“
Dann hob er seinen Kopf und rief einen Vogel aus der Luft. Der Vogel kam herab geflogen, setzte sich auf seine Hand und bedeckte sein Köpfchen mit den Flügeln.
„Wer sich vor Gott schämt“, sagte Ma‘ruf, „vor dem schämt sich alle Welt.“ Da war sein Onkel auf einmal sehr verwirrt.
Eines Tages brach Ma‘rufs rituelle Reinheit und sofort verrichtete er die rituelle Waschung mit Sand.
„Warum“, sagten sie zu ihm, „hier fließt der Tigris. Warum nimmst du Sand für die Waschung?“
„Es könnte sein, „ antwortete er, „dass ich nicht mehr lebe, bis ich ihn erreiche.“
Eine Gruppe Schiiten drängte sich eines Tages vor Rezas Tür und dabei brachen sie Ma‘ruf ibn Karkhis Rippen und er wurde ernsthaft krank.
Sari as Saqati sagte zu ihm, „wie lautet dein letzter Wille?“
„Wenn ich sterbe“, sagte Ma‘ruf, „nimm mein Hemd und gib es als Almosen. Ich will diese Welt nackt verlassen, so wie ich sie nackt aus dem Bauche meiner Mutter betrat.“
Als er starb war die Bekanntheit seiner tiefen Menschlichkeit so groß, dass alle religiöse Gemeinschaften, Juden, Christen und Muslime gleichermaßen ihn als einen der ihren vereinnahmten.
Sein Diener berichtete, dass Ma‘ruf folgendes gesagt hatte.
„Wer immer meinen Leichnam vom Boden aufheben kann, zu dessen Gruppe gehöre ich.“
Die Christen konnten den Leichnam nicht anheben, auch die Juden nicht. Dann kamen die Muslime und ihnen gelang es. So beteten sie über ihm und begruben ihn gerade an jenem Platz.
Sari berichtete folgendes.
Nachdem Ma‘ruf gestorben war, erschien er mir im Traum. Er stand unterhalb des Throns mit weit offenen Augen, als wäre er verwirrt und wie von Sinnen. Ein Ruf von Gott erging an die Engel.
„Wer ist das?“
“Herr, Gott, Du weißt dies am besten“, antworteten die Engel.
„Es ist Ma‘ruf“, kam der Befehl.“ Er wurde verwirrt und geblendet von Unserer Liebe. Nur durch Unseren Anblick, nur durch das Zusammentreffen mit Uns, wird er wieder zu sich kommen.
Geschichten aus dem
Tadhkirat al-Auliya’
(Erinnerung an die Heiligen)
von Farid ud-Din ATTAR
Übersetzt von M.M. Hanel