Sufizentrum Braunschweig
  Sufyan al-Thauri
 

Sufyan al-Thauri

 

Abu ‘Abd Allah Sufyan ibn Sa’id al-Thauri wurde 97 (715) in Kufa geboren und studierte zuerst unter seinem Vater und später unter zahlreichen Gelehrten und erlangte hohes Wissen auf dem Gebiet der Überlieferungen und Theologie. Im Jahr 158 (775) überwarf er sich mit den Autoritäten und war gezwungen, sich in Mekka zu verbergen. Er starb 161 (778) in Basra. Er begründete eine Rechtsschule, welche etwa zweihundert Jahre aktiv war. Er lebte ein strikt asketisches Leben und wurde von den Sufis ein Heiliger genannt.

 

Sufyan al Thauri und die Kalifen

 

Die Unbeugsamkeit von Sufyan al Thauri zeigte sich schon bevor er noch geboren war. Eines Tages nahm seine Mutter vom Dach des Nachbarn einige getrocknete Früchte und steckte sie sich in den Mund. Sufyan, den sie in sich trug, gab ihr in diesem Moment einen derartig gewaltigen Tritt, dass sie schon dachte, sie hätte ihn verloren.

Es wird erzählt, dass der Kalif dieser Tage vor Sufyan betete und während des Gebetes seinen Schnurrbart zwirbelte.

Dies ist nicht die rechte Art zu beten“, rief Sufyan, „morgen am Tag des Gerichtes wird dir dieses Gebet wie ein schmutziger Teppich um die Ohren geschlagen werden.“

Sprich ein bisschen höflicher“, entgegnete ihm der Kalif.

Wenn ich meine Hand vor dieser Verantwortung zurückzöge, würde mein Urin zu Blut werden.“

Der Kalif war durch diese Bemerkungen verärgert und befahl, ihn an den Galgen zu hängen „Dann wird es niemand mehr wagen, mir gegenüber so frech aufzutreten“, begründete er diese Entschei­dung.

An dem Tag, als der Galgen aufgerichtet wurde, schlief Sufyan fest an der Brust eines großen Heiligen, mit seinen Füßen im Schoß von Sufyan ibn Ovaina. Die beiden Heiligen, als sie bemerkten, dass der Galgen aufgebaut wurde, sagten zueinander, „Wir wollen es ihm nicht sagen“. Just in diesem Moment erwachte Sufyan.

Was ist los?“ fragte er.

Unter großem Unbehagen sagten sie es ihm.

Ich hänge nicht besonders am Leben“, meinte Sufyan. „Doch seine Verantwortung in diesem Leben kann man nicht von sich weisen.“

Mit Tränen in den Augen betet er, „Herr, Gott, ergreife sie mit einem gewaltigen Griff!“

Zu dieser Zeit saß der Kalif auf seinem Thron, umgeben von den Großen im Land. Ein Blitzschlag fuhr in den Palast und der Kalif samt seiner Minister wurde von der Erde verschlungen.

Welch ein wohl gehörtes und schnell erhörtes Gebet“, merkten die beiden ehrwürdigen Heiligen dazu an.

Ein anderer Kalif folgte auf den Thron, welcher an Sufyan glaubte. Nun geschah es, dass Sufyan krank wurde. Der Kalif hatte einen christ­lichen Arzt, einen großen Meister und außerordentlich gescheit. Diesen sandte er zu Sufyan um ihn behandeln zu lassen. Als dieser seinen Urin betrachtete, meinte er, „Dies ist ein Urin von jemandem, dessen Leber aus Furcht zu Gott zu Blut geworden ist. Nur langsam fließt es aus seiner Blase. Die Religion der solch ein Mann folgt“, fügte er hinzu, „kann nicht falsch sein.“

Und danach wurde er sofort Muslim.

Ich dachte ich hätte einen Arzt ans Bett eines Kranken geschickt“, merkte der Kalif an, „in Wirklichkeit habe ich aber den Kranken geschickt, um den Arzt zu behandeln.“

 

Anekdoten von Sufyan al Thauri

 

Eines Tages ging Sufyan mit einem Freund an der Tür eines angesehenen Mannes vorbei. Sein Freund spähte in den Hof und Sufyan tadelt ihn dafür.

Wenn du und deinesgleichen nicht auf ihre Paläste starren würden, würden sie sich solchen Extravaganzen nicht leisten“, belehrte er ihn. „Durch dieses Anstarren werdet ihr ihre Partner in der Sünde der Maßlosigkeit.“

Ein Nachbar Sufyans starb und Sufyan begab sich an sein Grab um an seiner Beerdigung zu beten. Dort hörte er die Leute sagen. „Er war ein guter Mensch:“

Wenn ich gewusst hätte, dass die anderen Leute gut über ihn sprechen“, sagte Sufyan, „wäre ich nicht zu seiner Beerdigung gegangen, „denn nur über einen Heuchler sprechen die Menschen nach seinem Tod Gutes über ihn.“

Eines Tages hatte Sufyan seine Kleider völlig verkehrt angezogen. Als die Leute ihn darauf aufmerksam machten, wollte er sie zurecht­machen, doch dann ließ er davon ab.

Ich habe diese Kleider für Gott angezogen“, sagte er, „und ich will der Menschen wegen daran nichts ändern.“

Ein junger Mann versäumte an der Pilgerfahrt teilzunehmen und seufzte.

Ich habe vierzig Pilgerfahrten unternommen“, sagte ihm Sufyan, „ich überschreibe sie dir alle. Willst du mir deine Seufzer überschrei­ben?“

Das will ich“, antwortete der junge Mann.

Diese Nacht träumte Sufyan, dass eine Stimme zu ihm sprach,
“Du hast einen solch gewaltigen Gewinn mit dieser Transaktion erworben, dass, wenn er unter allen Pilgern auf Arafat aufgeteilt würde, sie wahrlich reich wären.“

Eines Tages verzehrte Sufyan gerade ein Stück Brot, als ein Hund vorbeihumpelte. Er gab dem Hund sein Brot, Stück für Stück.

Warum isst du es nicht mit deiner Frau und deinem Kind?“ wurde er gefragt.

Wenn ich das Brot dem Hund gebe“, antwortete er, „ so hält er für mich die ganze Nacht Wache, sodass ich beten kann. Gebe ich es meiner Frau und meinem Kind, halten sie mich von meinen Ergeben­heiten zurück.“

Sufyan reiste eines Tages auf einer Bahre nach Mekka. Ein Gefährte war mit ihm und Sufyan weinte unentwegt.

Weinst du aus Angst vor deinen Sünden?“ fragte der Freund. Sufyan streckte seine Hand aus und pflückte ein paar Strohhalme.

Meine Sünden sind zahlreich“, gab er zur Antwort, „und auch wenn sie zahlreich sind, so bedeuten sie mir nicht mehr als dieses Handvoll Stroh. Was mir wirklich Angst macht, ist, ob mein Glaube ein aufrich­tiger ist oder nicht.“

Ein Beispiel des Mitleids welches Sufyan allen Geschöpfen Gottes gegen­über empfand, wird in folgender Geschichte deutlich.

Eines Tages sah er auf dem Markt einen Vogel verzweifelt im Käfig hin und herflattern. Er kaufte ihn und ließ ihn frei. Jede Nacht kam dann dieser Vogel zu Sufyans Haus geflogen und sah Sufyan von einem Ast zu, wie dieser die ganze Nacht betete.

Als Sufyan starb und in sein Grab getragen wurde, folgte dieser Vogel der Prozession und sang sein trauriges Lied mit all den anderen Trauernden. Als Sufyan in die Erde hinab gelassen wurde, warf sich der Vogel auf die Erde und eine Stimme tönte aus dem Grab,

Der Allmächtige Gott hat dem Sufyan des Mitgefühls wegen vergeben, welches er gegenüber Seinen Geschöpfen hegte.“ Der Vogel verstarb ebenfalls, schloss sich dem Sufyan an und wurde mit ihm begraben.

Geschichten aus dem

Tadhkirat al-Auliya’

(Erinnerung an die Heiligen)

von Farid ud-Din ATTAR

Übersetzt von M.M. Hanel
 
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