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  Al-Fudail ibn Iyad
 

Al-Fudail ibn ‘Iyad

 

Abu ‘Ali al-Fuzail ibn ‘Iyaz al-Talaqani war in Khorasan geboren worden und hatte sich einen Namen als Wegelagerer gemacht. Nach seiner Bekehrung ging er zuerst nach Kufa und dann nach Mekka, wo er viele Jahre, bis zu seinem Tode 187 (803) auch blieb. Er brachte es zu beachtlichem Ansehen als Überlieferer und die Kühnheit seiner Predigten vor Harun al Raschid war weithin bekannt.

 

Fuzail der Wegelagerer und seine Bekehrung

 

Zu Beginn seiner Laufbahn schlug Fuzail seine Zelte im Herzen der Wüste zwischen Merv und Bavard auf. Er trug Sackleinen, eine wollene Mütze und eine Gebetskette um den Hals. Er hatte eine Menge Kumpane, alles Diebe und Räuber. Tag und Nacht waren sie plündernd auf Raubzug unterwegs und brachten die Beute dem Fuzail, denn er war der Älteste und ihr Anführer. Er verteilte sie dann unter den Banditen und behielt für sich was ihm gefiel. Er führte genau Buch und blieb keiner Versammlung fern. Jedes Mitglied welches einer Versammlung fernblieb schloss er aus der Bande aus.

Eines Tages lauerten sie einer großen Karawane auf. Einer der Reisenden hatte bereits Gerüchte über diese Wegelagerer gehört und als sie in Sicht waren, überlegte er, wie er seinen Beutel voll Gold verstecken könnte. Er verließ also die Route und stieß auf Fuzail, der vor seinem Zelt saß, ein Asket dem Aussehen und seiner Kleider nach. So vertraute er ihm seinen Goldbeutel an.

Verstau’ ihn hinten im Zelt“, wies Fuzail ihn an.

Der Mann tat wie ihm geheißen und kehrte zum Rastplatz der Karawane zurück und stellte fest, dass sie bereits ausgeraubt worden war. Alle die Lasten waren weggebracht und die Reisenden an Hand und Fuß gefesselt. Der Mann band sie wieder los und sie sammelten die kläglichen Überreste ein und machten sich fort. Der Mann kehrte zu Fuzail zurück um seinen Goldbeutel abzuholen. Er sah ihn mitten unter den Gaunern hocken und die Beute aufteilen.

Oje, ich habe mein Gold einem Räuber gegeben“, klagte der Mann. Fuzail der ihn in der Ferne entdeckt hatte, grüßte den Mann der näher gekommen war.

Was willst du?“ fragte der.

Hol dir dein Gold von wo du es hingetan hast“, forderte ihn Fuzail auf „und dann verschwinde.“

Der Mann lief in das Zelt, nahm seinen Beutel und rannte davon.

Warum“, schrieen Fuzails Kumpane, „in der ganzen Karawane fanden wir keinen einzigen Dirham Bargeld und diese zehntaus­end Dirham gibst du jetzt zurück!?“

Der Mann hatte eine gute Meinung von mir und ich habe immer eine gute Meinung von Gott, sodass er mir Vergebung gewähre“, erwiderte Fuzail. „Ich habe des Mannes Meinung gerechtfertigt, so­dass Gott die meine rechtfertigen möge.“

Am nächsten Tag hatten sie eine andere Karawane überfallen und trugen die Beute davon. Als sie zum Essen saßen, kam einer der Reisenden zu ihnen.

Wer ist euer Anführer?“ fragte er.

Er ist nicht hier“, antworteten die Räuber, „er ist dort hinter den Bäumen, am Ufer und betet.“

Es ist aber nicht Zeit für das Gebet“, rief der Mann.

Er erbringt eine Mehrleistung“, erklärten die Räuber.

Und er isst nicht mit euch?“, bemerkte der Mann weiter.

Nein, er fastet“, sagten sie.

Aber es ist nicht Ramadhan“, wunderte sich der Mann.

Wieder eine Mehrleistung“, sagten die Diebe.

Sehr verwundert näherte sich der Mann Fuzail, der in großer Demut betete. Er wartete bis Fuzail fertig war und sagte dann.

Gegensätze stoßen einander ab“, sagt man, „wie kann einer fasten und rauben, beten und gleichzeitig Muslime ermorden?“

Kennst du den Qur’an?“, fragte Fuzail.

Ja“, antwortete der Mann.

Also, sagt der Allmächtige Gott nicht: Und es gibt andere, die ihre Schuld bekennen. Sie vermischten eine gute Tat mit einer anderen, schlechten?“ (9:102)

Der Mann war sprachlos vor Erstaunen.

Es wird berichtet, dass Fuzail von Natur aus ein Kavalier und fein­sinnig  war und er keiner Frau, die mit einer Karawane reiste die er überfiel, ihr Eigentum nahm und auch plünderte er keinen, der nur sehr wenig Kapital besaß. Er ließ jedem Opfer einen Teil seiner Habe. Er war stets der guten Tat zugeneigt. Als er seine Raub­züge begann, war er leidenschaftlich in eine bestimmte Frau verliebt, der er immer seinen Anteil an der Beute überbrachte. Tagaus, tagein ging er in seiner Affenliebe zu dieser Frau buchstäblich schluchzend die Wände hoch. Eines Nachts zog eine Karawane vorbei, in deren Mitte ein Mann laut den Qur’an rezitierte. Der folgende Vers drang an Fuzails Ohr: „Ist nicht für die Gläubigen die Zeit gekommen, ihre Herzen zu demütigen vor der Ermahnung Allahs und vor der Wahrheit, die herabkam …?“ (57:16) Gleich einem Pfeil bohrte sich dieser Vers in Fuzails Seele, forderte ihn gleichsam heraus: „O Fuzail, wie lange noch willst du noch Reisenden auflauern? Die Zeit ist gekommen, dass Wir dir auflauern!“

Fuzail fiel von der Mauer und rief, „Wahrlich, es ist höchste Zeit, nein, es ist mehr als das!“

Völlig außer sich, verstört und beschämt versteckte er sich in einer Ruine, wo auch einige der Reisenden ihr Lager aufgeschlagen hatten. Sie sagten zu sich, „Lasst uns aufbrechen!“ Einer von ihnen gab zu bedenken, „Wir können nicht gehen, Fuzail liegt auf der Lauer.“

Gute Nachrichten“, rief Fuzail, „er hat sich bekehrt.“

Mit diesen Worten verließ er den  Ort und war den ganzen Tag weinend unterwegs, seine Gegner zu entschädigen, bis nur mehr ein Jude in Bavard übrig geblieben war. Er suchte auch seine Vergebung, doch der Jude war mit keiner Genugtuung einverstanden.

Heute können wir es diesen Mohammedanern zeigen“, stachelte er seine Genossen auf.

Wenn du willst, dass ich deine Genugtuung annehme“, sagte er zu Fuzail, „dann schaffe diesen Haufen zur Seite.“

Er zeigte dabei auf einen Haufen Sand, den fort zu schaffen die Kräfte eines Mannes einfach überstieg, außer man arbeitete längere Zeit daran. Der unglückselige Fuzail schaufelte den Berg also Stück für Stück beiseite, doch wie lange sollte er dafür brauchen? Eines Morgens, Fuzail war schon völlig erschöpft, kam ein Wind auf, der den Rest vollstän­dig davon blies. Als der Jude dies sah, war er ziemlich verblüfft.

Ich habe geschworen“, sagte er zu Fuzail, „dass ich deine Wiedergutmachung nicht annehmen werde, bis ich Geld von dir bekomme. Nun befindet sich unter diese Matte etwas Gold, hole eine handvoll davon hervor und gib es mir. Damit ist mein Schwur erfüllt und ich werde deine Genugtuung akzeptieren.“

Fuzail betrat also das Haus des Juden. Jetzt hatte dieser aber eine handvoll Erde unter die Matte gelegt. Fuzail griff unter den Teppich und brachte jedoch eine handvoll Dinare hervor, die er dem Juden übergab.

Lade mich ein zum Islam“, rief dieser.

Fuzail lud ihn zum Islam ein, und der Jude wurde Muslim.

Weißt du, warum ich Muslim geworden bin?“ fragte er Fuzail und fuhr fort. „Bis heute war ich nicht sicher, welches die wahre Religion ist. Doch heute wurde mir klar, dass der Islam die wahrhaftige Religion ist; denn ich habe in der Torah gelesen, dass wenn ein Mensch aufrichtig bereut und dieser dann seine Hand auf Erde legt, diese zu Gold wird. Und ich hatte Erde unter die Matte gelegt, um dich zu prüfen. Als du nun in die Erde fasstest und Gold aus ihr wurde, wusste ich, dass deine Reue echt und deine Religion wahr ist.“

Um Gottes Willen“, bat Fuzail den Mann, „binde mich an Händen und Füssen und bringe mich vor den Sultan, damit er mich für meine vielen Schandtaten bestrafe.“

Der Mann tat wie ihm geheißen. Als der Sultan Fuzail in Augen­schein nahm, entdeckte er an ihm die Zeichen der Aufrichtigkeit und sagte.

Ich kann dich nicht verurteilen“, und sandte ihn in Ehren in seine Unterkunft zurück. Als er dort ankam, brach ein lauter Schrei aus Fuzails Brust.

Hört ihn schreien“, riefen die Leute.

Sicherlich wurde er nun gezüchtigt.“

Wahrhaftig wurde ich schwer gezüchtigt“, meinte Fuzail.

Wo?“ fragten die Leute.

In meiner Seele“, erklärte er.

Dann begab er sich zu seiner Frau.

Frau“, kündigte er ihr an, „ich will mich zum Hause Gottes begeben, wenn du es wünscht, gebe ich dich frei.“

Niemals werde ich dich verlassen“, erwiderte seine Frau. „Wo immer du dich befindest, will auch ich sein.“

So brachen sie gemeinsam auf und erreichten noch zur rechten Zeit Mekka, denn  der Allmächtige Gott hatte ihnen die Reise leicht gemacht. Dort kamen sie in der Nähe der Kaaba unter und traf einige der Heiligen. Er wurde für einige Zeit der Gefährte von Imam Abu Hanifa und viele Geschichten werden über seine außergewöhnliche Disziplin erzählt. In Mekka wurde ihm das Tor der Beredsamkeit eröffnet und die Leute drängten sich, seine Predigten zu hören. Bald sprach alle Welt von ihm, sodass seine Familie und Angehörigen von Bavard aufbrachen, um nach ihm zu sehen. Sie klopften an seine Tür, doch er öffnete ihnen nicht. Auch sie gingen nicht von der Tür fort. Darauf stieg Fuzail auf das Dach seines Hauses.

Was seid ihr nur für Faulenzer“, rief er ihnen zu. „Gott hat euch eine Aufgabe und Arbeit gegeben!“

Dergleichen sprach er vieles zu ihnen, bis sie alle weinten und ganz außer sich waren. Letztlich konnten sie seine Gegenwart nicht mehr ertragen und verließen ihn. Er blieb dennoch auf dem Dach und ließ die Tür verschlossen.

 

Fuzail and Harun al-Rashid

 

Eines Nachts rief Harun al-Rashid den Barmakiden Fazl, seinen  vertrauten Wesir zu sich und bat ihn.

Bring mich heute Nacht zu jemandem, der mir mein Selbst eröffnet. Mein Herz ist müde diesem ganzen Pomp und dieser Pracht gegenüber.“

Fazl brache den Harun an die Tür des Sufiyan-e Oyaina.

Wer ist da?“ fragte der.

Der Befehlshaber der Gläubigen“, gab Fazl zur Antwort.

Warum stürzt dieser sich in solche Umstände?“ sagte Sufiyan. „Wenn ich verständigt worden wäre, wäre ich zu ihm gekommen.“

Das ist nicht der, den ich suche“, bemerkte Harun. „Er schmeichelt mir wie alle anderen auch.“

Als Sufiyan über den Sachverhalt aufgeklärt worden war, sagte Sufiyan,

Al-Fuzail ibn Iyaz ist der Mann, den du suchst. Du musst zu ihm gehen.“ Und er rezitierte folgenden Vers: „Oder glauben jene, die Schlechtes erwirken, dass Wir sie jenen gleichstellen, die gute Werke tun?“

Es ist genug getan, wenn ich guten Rat suche“, meinte Harun.

Sie gingen an Fuzails Tür und klopften an.

Wer ist da?” fragte der.

Der Befehlshaber der Gläubigen”, antwortete Fazl.

Was hat er mit mir zu schaffen und was habe ich mit ihm zu tun?” wollte Fuzail wissen.

Ist es nicht verpflichtend, seiner Befehlsgewalt zu gehorchen?” erwiderte Fazl.

Stört mich nicht“, rief Fuzail.

Soll ich mit einer Erlaubnis oder auf mit Befehlsgewalt eintre­ten?” verlangte Fazl zu wissen.

Es gibt da nicht so etwas wie Befehlsgewalt“, antwortete Fuzail

Wenn ihr mit Gewalt eintretet, müsst ihr selber wissen, was ihr tut.“  

Darauf trat Harun ein. Als sie an Fuzail herantraten, blies dieser das Licht aus, damit sie sein Gesicht nicht erkennen konnte. Harun streckte seine Hand aus und traf auf die Fuzails.

Wie sanft und weich diese Handfläche ist, wenn sie nur dem Höllenfeuer entkommen könnte!“ merkte Fuzail an.

Nach diesen Worten stand er auf und begab sich ins Gebet. Harun war sehr berührt und Tränen stiegen aus seiner Brust.

Sag etwas zu mir“, bettelte er. Fuzail grüßte ihn und sagte dann.

Dein Vorfahr, der Onkel des Propheten, verlangte einmal von ihm, ihn zum Befehlshaber über einige Leute zu ernennen. Der Prophet gab ihm zur Antwort. „Onkel, für einen Moment habe ich dich zum Befehlshaber über dich selbst gemacht“. Damit meinte er, wenn dieser nur einen einzigen Moment Gott gehorchte, wäre dies besser für ihn selbst, als wenn tausend Jahre lang die Leute ihm gehorchten. Der Prophet fügte hinzu „Befehlsgewalt ist ein Grund für Bedauern am Jüngsten Tag.““

Sprich weiter“, bat Harun.

Als Umar ibn Abd al-Aziz zum Kalifen bestimmt wurde“, erzählte Fuzail, „sagte er folgendes zu Salem ibn Abd Allah, Raja’ ibn HAbu Yazidat, und Mohammad ibn Ka’b. „Was soll ich tun? Denn ich weiß, dass dieses hohe Amt eine Versuchung ist, auch wenn die Menschen glauben, es wäre ein Segen.“ Einer der drei antwortete, „Wenn du morgen der Bestrafung Gottes entkommen willst, so betrachte jeden älteren Muslim, als wäre er dein Vater, jüngere Muslime erachte als deine Brüder und die Sprösslinge der Muslime sieh als deine Kinder an und behandle sie entsprechend.“

Sprich weiter“, bat Harun erneut.

Die Ländereien der Muslime sind wie dein eigenes Haus und deren Bewohner deine Familie“, sprach Fuzail. „Besuche deinen Vater, ehre deinen Bruder und sei gut zu deinem Sohn“. Ich fürchte, fügte er hinzu, „dein hübsches Gesicht wird ernsthaft Schaden durch das Feuer der Hölle nehmen. Fürchte Gott und gehorche Seinem Befehl. Sei achtsam und bedacht, denn am Tage des Gerichts wird dich Gott über jeden einzelnen Muslim befragen und gemäß deinem Verhalten ihnen gegenüber, wird Er dich beurteilen. Wenn eine alte Frau des nachts hungrig zu Bett gehen muss, wird sie dich an jenem Tag am Hemd fassen und gegen dich aussagen.“

Harun weinte so bitterlich, dass er fast das Bewusstsein verlor.

Genug! Du hast den Befehlshaber der Gläubigen erschlagen“, schimpfte Fazl der Wesir.

Sei still, Haman“, schrie Fuzail, „du und deinesgleichen sind es, die ihn vernichten und du sagst mir, ich brächte ihn um? Das ist Mord!“

Auf diese Worte hin weinte Harun noch leidenschaftlicher.

Er nennt dich Haman“, klagte er zu Fazl gewandt, „denn er hat mich mit dem Pharao gleichgesetzt.“ Dann sagte er zu Fuzail,

Bist du irgendwem etwas schuldig?”

Ja“, gab Fuzail zur Antwort. „Ich bin Gott eine gehorsame Handlung schuldig. Wenn er mich deswegen zur Rechenschaft zieht, dann wehe mir!“

Ich spreche von Schulden Menschen gegenüber, Fuzail“, sagte Harun.

Gott sei Dank“, rief Fuzail, „Der mich so über alle Maßen gesegnet hat, dass ich über Seine Diener nicht zu klagen habe.“

Daraufhin stellte Harun eine Börse mit tausend Dinar vor ihn hin.

Dies ist rechtmäßig erworbenes Geld aus meiner Mutter Vermächtnis“, sagte Harun.

Befehlshaber der Gläubigen“, sagte Fuzail, „was ich zu dir ge­sprochen habe, war nicht des Profits wegen. Selbst jetzt hast du eine Übeltat begangen und Unrecht fortgesetzt.

Welch üble Tat?“ wollte Harun wissen.

Ich rufe dich zum Heil und du setzt mich der Versuchung aus! Das ist wahrlich eine üble Tat“, erklärte Fuzail. „Ich sage dir, gib was du besitzt, seinem rechtmäßigen Eigentümer zurück und du für deinen Teil gibst es jemandem, dem es nicht zukommt? Sinnlos ist es für mich, wenn ich weiter spreche.“

Mit diesen Worten stand er auf, warf das Gold aus der Tür und entfernte sich.

O, was ist das nur für ein Mann“, rief Harun, als er Fuzails Haus verließ, „Fuzail ist in Wahrheit ein König der Menschen. Seine Überheb­lichkeit ist außerordentlich und die Welt in seinen Augen verachtenswert.“

 

Anekdoten über Fuzail

 

Eines Tages hielt Fuzail ein vierjähriges Kind in seinem Schoß und es geschah, dass er seinen Mund an des Kindes Wange drückte, wie Väter dies so zu tun pflegen.

Vater, liebst du mich?“ fragte das Kind.

Ich liebe dich“, antwortete Fuzail.

Liebst du Gott?“

Ja, ich liebe Gott“.

Wie viele Herzen hast du?“ wollte das Kind wissen.

Eines”, gab Fuzail zurück.

Kannst du zwei mit einem Herz lieben?” verlangte das Kind zu wissen.

Da erkannte Fuzail, dass es nicht das Kind war, welches da sprach, sondern er eine göttliche Unterweisung erhielt. Eifersüchtig um Gottes Willen begann er sich den Kopf zu schlagen und bereute. Sein Herz gegenüber dem Kind verhärtend, übergab er es an Gott.

Eines Tages stand Fuzail am Berg Arafat. All die Pilger dort weinten und schluchzten, demütigten sich und baten Gott mit leiser Stimme.

Ehre sei Gott“, rief Fuzail, „wenn so viele Menschen alle auf einmal zu einem Mann gingen und ihn um ein Silberstück bäten, was meint ihr? Würde der Mann sie alle enttäuschen?“

Nein“, kam die Antwort.

Gut“, sagte Fuzail, „sicherlich ist es für den Allmächtigen noch leichter, euch allen zu verzeihen, als für diesen Mann ist, das Geld zu geben. Denn er ist der Großzügigste unter den Großzügigen, also besteht große Hoffnung, dass Er allen vergeben wird.“

Einmal litt Fuzails Sohn an Harnverhalt. Fuzail kam und erhob seine Hände.

O Herr“, betete er, „erlöse ihn von dieser Krankheit bei meiner Liebe zu Dir.“

Er hatte sich noch nicht von seinen Knien erhoben, als der Knabe bereits geheilt war.

Oft sagte Fuzail im Gebet: „Herr Gott, hab Erbarmen! Du kennst meine Reue; so strafe mich nicht, denn du hast alle Macht über mich.“ Dann sagte er noch, „O Gott, Du hältst mich hungrig und Du hältst meine Kinder hungrig. Du hältst mich nackt und Du hältst meine Kinder hungrig und Du gibst mir keine Lampe in der Nacht. All dies tust Du für Deine Freunde. Durch welchen spirituellen Rang hat Fuzail diese Glückseligkeit von Dir verdient?“

Vierzig Jahre lang hatte niemand Fuzail jemals lächeln gesehen, außer an dem Tag, an welchem sein Sohn verstarb, da lächelte er.

Meister, was für eine Gelegenheit ist das, um zu lächeln?“, wurde er gefragt.

Ich habe erkannt, dass es Gott wohl gefiel, dass mein Sohn sterbe“, antwortete er, „und ich lächelte um mit dem Wohlgefallen Gottes überein zustimmen.“

Fuzail hatte zwei Töchter. Als sein Ende nahe war, verlangte er von seiner Frau die Erfüllung eines letzten Wunsches.

Wenn ich gestorben bin, nimm die beiden Mädchen und begebt euch zum Berg Qobais. Dort richte dein Antlitz gen Himmel und sprich: „Herr Gott, Fuzail hat mich mit seinem letzten Wunsch folgendes zu sagen beauftragt: „Während ich am Leben war, beschützte ich diese beiden Mädchen so gut ich nur vermochte. Da Du mich zum Gefangenen in der Enge des Grabes gemacht hast, gebe ich sie Deiner Obhut zurück.““

Als Fuzail begraben war, tat seine Frau, worum er sie gebeten hatte. Sie begab sich auf die Spitze des Berges und übergab Ihm dort ihre Töchter. Dann betete sie unter vielen Tränen und Klagen. Just in diesem Moment kam der Prinz von Jemen mit seinen beiden Söhnen dort vorbei.

Als er die Frauen derart weinen und klagen sah, wollte er wissen woher sie kämen und Fuzails Frau erklärte ihre Situation.

Ich gebe diese beiden Mädchen, diesen, meinen beiden Söhnen zur Frau“, erklärte er, „und jeder der beiden bekommt eine Brautgabe von zehntausend Dinar. Bist du damit zufrieden?“

Ich bin es“, erwiderte die Mutter.

Sofort statte der Prinz sie mit Schmuck, Teppichen und Gewändern von edlem Brokat aus und führte sie heim in den Jemen.

Geschichten aus dem

Tadhkirat al-Auliya’

(Erinnerung an die Heiligen)

von Farid ud-Din ATTAR

Übersetzt von M.M. Hanel
 
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