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  Malik ibn Dinar
 

Malek ibn Dinar

 

 

Malek ibn Dinar al-Sami war der Sohn eines persischen Sklaven aus Sejestan (oder Kabul) und war ein Schüler des Hasan von Basra. Er findet als verlässlicher Überlieferer Erwähnung, der von Persön­lich­­keiten wie Anas ibn Malek und Ibn Sirin berichtete. Er war ein beachteter Qur’an Kalligraf und starb um 130 (748).

 

Wie Malek-e Dinar zu seinem Namen kam und die Geschichte seiner Reue

 

Als Malek geboren wurde, war sein Vater noch Sklave; so wenn er auch als Sklave geboren wurde, war er dennoch in beiden Welten frei von jeder Fessel.

Es wird erzählt, dass Malek-e Dinar einmal ein Schiff bestieg und als das Schiff schon weit draußen war, verlangten die Seeleute:

Bezahle deine Überfahrt.“

Ich hab nichts zu bezahlen“, war seine Antwort.

Darauf schlugen sie ihn zusammen, bis er ohnmächtig war. Als er wieder aufwachte, schrieen sie ihn wieder um das Fahrgeld an und der Dialog und die körperlichen Ausschreitungen wiederholten sich. Als er wieder zu sich kam, verlangten sie ein drittes Mal.

 „Bezahle deine Überfahrt.“

Ich hab nichts zu bezahlen“, war auch diesmal seine Antwort.

So lasst ihn uns bei den Füßen ergreifen und überbord werfen“, sagten sie zueinander.

Im selben Moment steckten alle Fische im Wasser ihren Kopf heraus und ein jeder von ihnen trug zwei Golddinare im Maul. Malek langte hinunter, nahm zwei Dinare von einem Fisch und gab sie den Seeleuten. Als diese das sahen, fielen sie vor ihm auf die Knie. Er aber stand auf und ging über das Wasser davon.

Darum wird er Malek-e Dinar genannt.

 

Sein Eintritt in den Islam wird uns wie folgt überliefert.

Er war ein sehr hübscher Mann, den weltlichen Dingen äußerst zugetan und einigermaßen vermögend. Er lebte in Damaskus, wo Mu’awiya eine imposante Moschee mit großzügiger Ausstattung hatte erbauen lassen. Malek wollte unbedingt der Verwalter dieser Moschee werden und so nahm er seinen Gebetsteppich, rollte ihn in einer Ecke der Moschee auf und verbrachte ein ganzes Jahr im Gottesdienst dort, in der Hoffnung, dass jeder der die Moschee betreten würde, ihn dort im Gebet sehen würde.

Was bist du nur für ein Heuchler“, pflegte er zu sich selbst zu sagen.

So verging ein Jahr. In der Nacht verließ er gewöhnlich die Moschee, um seinen Vergnügungen nachzugehen. Als er in einer dieser Nächte sich der Musik hingegeben hatte und seine Kameraden bereits eingeschlafen waren, hörte er plötzlich eine Stimme aus der Laute kommen, die er gerade schlug.

Malek, was fehlt dir, dass du nicht bereust?“

Als er das hörte, ließ er das Instrument fallen und lief völlig verwirrt in die Moschee zurück.

Ein ganzes Jahr habe ich den Gottesdienst in der Manier der Heuchler verrichtet“, sprach er zu sich selbst. „Ist es denn nicht besser, Gott in Aufrichtigkeit zu verehren? Ich schäme mich daher. Was soll ich tun? Selbst wenn sie mir diesen Posten nun antragen sollten, werde ich ihn nicht annehmen.”

So beschloss er für sich und wandte sich nun in rechtem Bewusst­sein Gott zu. Diese Nacht verbrachte er seine Andacht mit einem reinen Herzen.

Nächsten Tag versammelten sich die Leute vor der Moschee wie sonst auch.

Warum gibt es da Risse in der Moschee“, riefen sie. „Wir sollten eine Aufsichtsperson ernennen, die sich um solche Dinge kümmert und in Ordnung hält.“

Sie kamen einstimmig zum Schluss, dass niemand für diese Aufgabe besser geeignet wäre als Malek. So gingen sie zu ihm. Er war mitten im Gebet und sie warteten geduldig bis er damit fertig war.

Wir sind zu dir gekommen, um dich zu bitten, diese Bestel­lung anzunehmen“, sagten sie.

O Gott“, rief Malek, „ich habe Dir ein Jahr lang wie ein Heuchler gedient und keiner hat mich auch nur angesehen. Nun nachdem ich Dir mein Herz zugewandt habe und fest be­­schlossen habe, diese Berufung abzulehnen, schickst Du zwanzig Leute, mir diese Aufgabe aufzuer­legen. Bei Deiner Ehre, ich will sie nicht.“

Er lief aus der Moschee und wandte sich dem Dienst des Herrn zu und nahm ein Leben der Enthaltsamkeit und Disziplin auf. Er wurde deshalb dermaßen respektiert, dass, als ein reicher Bürger aus Basra starb und dieser eine liebreizende Tochter hinterließ, sie sich an Thabet-e Bonani wandte:

Ich wünsche die Ehefrau des Malek zu werden“, teilte sie mit, „dass er mir in der Aufgabe beistünde, Gott zu gehorchen.“ Thabet überachte dies dem Malek.

Ich habe mich von der Welt getrennt“, erwiderte Malek. „Diese Frau gehört zu dieser Welt von der ich mich getrennt habe. Ich kann sie nicht heiraten.“

 

Malek und sein liederlicher Nachbar

 

Ein bestimmter junger Mann lebte in Maleks Nachbarschaft, der in seinem Lebenswandel außerordentlich verderbt und liederlich war. Malek wurde durch sein schlechtes Verhalten ständig belästigt, doch geduldig wartete er darauf, dass jemand anders etwas sagen würde. Um es kurz zu machen, sprachen nach einiger Zeit weitere Nachbarn bei Malek vor, um sich über den jungen Mann zu beschweren. Malek erhob sich also, ging zu ihm und ersuchte ihn, sein Betragen zu bessern. Der Jüngling reagierte allerdings sehr uneinsichtig und in grober Weise.

Ich bin ein Günstling des Sultans“, erwiderte er Malek. „Niemand hat das Recht mich zu beschränken oder mich von meinem Tun abzuhalten.“

Ich werde mit dem Sultan reden“, drohte Malek.

Dadurch wird sich der Sultan in seiner Zuneigung zu mir nicht abbringen lassen“, ließ der Junge wissen. „Was immer ich tue, er wird es gut heißen.“

Nun gut, wenn der Sultan nichts wird ausrichten”, fuhr Malek fort, “werde ich mit dem Allmächtigen reden”, und zeigte gegen Himmel.

Ha“, gab der Junge zurück, „der ist viel zu großzügig, um mich zur Verantwortung zu ziehen.“.

Da verschlug es Hasan die Sprache und er verließ den Jungen. In den nächsten Tagen schlug der junge Mann über alle Schranken und wieder kamen die Leute und beschwerten sich. Hasan erhob sich, um ihn zurechtzuweisen, doch auf dem Weg zu ihm hörte er eine Stimme.

Hör auf damit, mein Freund.“ Erstaunt ging er weiter zu dem jungen Mann hin.

Was ist passiert, dass du ein zweites mal kommst?“ wollte der Junge wissen.

Ich bin dieses mal nicht gekommen, um dich zu schelten“, antwortete Malek. „Ich bin nur gekommen, um dir von dieser Stimme zu berichten.“

Ah – wenn das so ist, so weihe ich meinen Palast Seinem Dienst“, gab der junge Mann zurück. Mein Vermögen will ich nicht länger achten.“ Nach diesen Worten ließ er alles zurück und zog aus in die Welt.

Malek erzählte, dass er diesen jungen Mann einige Zeit später in Mekka wieder traf, offensichtlich bettelarm und in den letzten Zügen. „Er ist mein Freund“, keuchte er. „Ich bin ausgezogen, um meinen Freund zu sehen.“ Und nach diesen Worten gab er seinen Geist auf.

 

Malek und seine Enthaltsamkeit

 

Jahre vergingen, ohne dass etwas Süßes oder Saures über Maleks Lippen gekommen wäre. Jede Nacht begab er sich zu einem Bäcker um zwei Laibe Brot zu kaufen, mit welchen er sein Fasten zu brechen pflegte. Manchmal war das Brot sogar noch warm, was ihm sehr gefiel und seinen Appetit anregte.

Eines Tages wurde er krank und ein unbändiges Verlangen nach Fleisch befiel sein Herz. Zehn Tage lang zügelte er dieses Verlangen, doch dann konnte er sich nicht mehr länger beherrschen und ging zu einem Feinkostladen und kaufte zwei oder drei Schafshaxen und steckte sie ein. Der Ladenbesitzer schickte ihm seinen Lehrling nach um zu erfahren, was er wohl damit anstellen würde. Nach kurzer Zeit kam der Junge mit Tränen in den Augen zurück.

Von hier ging er zu einer einsamen Stelle“, berichtete er. „Dort nahm er die Schafsbeine heraus, küsste sie zwei, drei mal und sagte dann: „O meine Seele, mehr als dies kommt dir nicht zu.“ Dann gab er das Brot und die Schafsbeine einem Bettler und sagte: „O du mein schwacher Körper, glaube nicht, dass ich dir all dieses Leid aus Feindschaft auferlege. Viel eher sollst du am jüngsten Tag der Auferstehung nicht in der Hölle brennen. Sei noch einige Tage geduldig und vielleicht wird dann diese Versuchung enden und du wirst eines Segens gewärtig, der niemals enden wird.“

Ein anderes Mal sagte Malek: „Ich verstehe die Bedeutung des Ausspruchs nicht, dass, wenn ein Mann vierzig Tage kein Fleisch isst, sein Verstand abnimmt. Ich habe seit zwanzig Jahren kein Fleisch mehr gegessen und mein Verstand wird stärker jeden Tag.

Vierzig Jahre lebte er in Basra und aß niemals frische Datteln. Wenn die Zeit ihrer Reife kam pflegte er zu sagen: „Hört ihr Leute aus Basra, mein Bauch ist bislang nicht kleiner geworden, weil er keine reife Datteln zu essen bekam – und euer wurde nicht größer.“

Nach vierzig Jahren wurde er von einer gewissen Unruhe heimge­sucht. So sehr er sich auch bemühte, konnte er sein Verlangen nach frischen Datteln nicht mehr unterdrücken. Endlich, nach ein paar Tagen, während seine Lust auf frische Datteln immer größer geworden war und er sie dennoch ständig verleugnete, konnte er dem Druck seiner fleischlichen Seele nicht mehr widerstehen.

Ich werde keinesfalls frische Datteln essen“, protestierte er, „ent­weder bring mich um, oder stirb selbst!“

In der Nacht vernahm er eine himmlische Stimme:

Du musst ein paar Datteln essen. Befreie deine fleischliche Seele aus ihren Fesseln.“

Auf diese Reaktion hin, nutzte seine fleischliche Seele die Gelegen­heit und begann laut zu schreien.

Wenn du Datteln willst“, sagte Malek, „dann faste eine Woche lang, ohne ein einziges mal das Fasten zu brechen, und bete die ganze Nacht. Dann werde ich dir ein paar geben.“

Dies stellte seine Seele ruhig und eine ganze Woche lang fastete er am Tag und die Nächte hindurch betete er. Alsdann ging er auf den Markt und kaufte einige Dattel, begab sich zur Moschee und wollte sie dort essen. Da rief ein Junge von einem Dach herunter.

Vater! Ein Jude hat Datteln gekauft und geht in die Moschee um sie dort zu essen.“

Was hat ein Jude in der Moschee verloren“, rief der Mann zurück und rannte, um zu sehen, wer dieser Jude wohl wäre. Als er Malek erkannte, fiel er auf die Knie.

Was hat dieser Junge gerufen?” wollte Malek wissen.

Verzeih ihm Meister“, bat der Vater des Jungen. “Er ist bloß ein Kind und versteht noch nichts. In unserem Viertel leben viele Juden. Wir fasten ständig und unsere Kinder sehen die Juden untertags essen. So glauben sie, dass jemand der untertags isst, ein Jude wäre. Was er sagte, sprach er aus Unwissenheit. Vergib ihm”.

Als Malek dies hörte, verschlang ein Feuer seine Seele. Er begriff, dass es Eingebung gewesen war, welches das Kind so hatte sprechen lassen.

Herrgott“, rief er, „ich habe noch keine Datteln gegessen und Du nennst mich einen Juden durch den Mund eines unschuldigen Knaben. Wenn ich Datteln gegessen hätte, Du hättest mich einen Ungläubigen genannt. Bei Deiner Ehre, wenn ich jemals Datteln essen sollte“.

Geschichten aus dem

Tadhkirat al-Auliya’

(Erinnerung an die Heiligen)

von Farid ud-Din ATTAR

Übersetzt von M.M. Hanel

 

 

 

 

 
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