Sari as-Saqati
Es wird gesagt, dass Abu ‘1-Hasan Sari ibn al-Mughalles as-Saqati, ein Schüler des Ma’ruf al-Karkhi, und der Onkel al-Junaids gewesen war. Von Beruf Gebrauchtwarenhändler, war er eine herausragende Figur in der Runde der Bagdader Sufis, der auch den Widerspruch Ahmad ibn Hanbals weckte. Er starb 253 (867) im Alter von98 Jahren.
Die Laufbahn des Sari as-Saqati
SSS war der erste, der in Bagdad die mystischen Wahrheiten vortrug und von der „Einheit“ sprach. Die meisten Sufi Scheichs aus dem Irak waren seine Schüler.
In Bagdad besaß er ein Geschäft in welchem er regelmäßig einige Rakats betete, nachdem er jeweils einen Vorhang vor den Eingang gehängt hatte.
Eines Tages kam ein Mann von den Lukam Bergen um ihn zu besuchen. Der schob den Vorhang beiseite, grüßte ihn und sagte, „Scheich so-und-so richtet dir Grüße aus.“
„Er lebt in den Bergen“, merkte Sari an. „Seine Bemühungen sind umsonst. Ein Mann sollte in der Lage sein, mitten in der Stadt zu wohnen und derart mit Gott beschäftigt zu sein, dass er nicht einen Moment von Ihm entfernt ist.“
Es wird gesagt, dass er in seinen Geschäften nie nach mehr Profit als 5% strebte. Eines Tages kaufte er um sechzig Dinare Mandeln. Nach einigen Tagen waren sie in der Stadt ausverkauft.
Ein Zwischenhändler fragte bei ihm an.
„Für wie viel soll ich sie dir verkaufen?“
„Um sechsundsechzig Dinar.“
„Aber der Preis steht bei neunzig Dinar“, warf der Händler ein.
„Meine Regel ist es, nicht mehr als 5 Prozent zu nehmen“, gab Sari zurück „und ich werde meine Regel nicht brechen.“
„Ich aber glaube, dass es nicht gut ist, deine Ware billiger zu verkaufen“, sagte der Händler.
Somit machte der Händler kein Geschäft und Sari keine Zugeständnisse.
Zu Beginn verkaufte Sari so allerlei um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Eines Tages brach Feuer im Bazar von Bagdad aus.
„Der Bazar steht in Flammen“, riefen sie ihm zu.
„Dann bin auch ich frei geworden“, bemerkte er.
Später stellte man fest, dass Saris Geschäft heil geblieben war. Daraufhin verteilte Sari all seine Waren an die Bedürftigen und begab sich auf den Pfad des Sufi.
„Was war der Anfang deiner spirituellen Weges?“ wurde er gefragt.
„Eines Tages“, antwortete er, „ging Habib ibn Ra’i bei meinem Geschäft vorbei und ich gab ihm etwas mit, dass er es den Armen brächte. „Gott möge gut zu dir sein“, gab dieser zurück. An dem Tag als er dies sprach, verlor die Welt ihre Anziehungskraft auf mich.
Am nächsten Tag kam Ma’ruf-ibn Karkhi vorbei, mit einem Waisenkind an der Hand. „Gib dem Kind was zum Anziehen“, bat er mich. Ich gab dem Kind einige Kleider. „Möge Gott deinem Herzen diese Welt hassenswert machen und dir Ruhe von dieser Arbeit gönnen“, rief er. So gab ich weltliche Dinge vollkommen auf, dank Ma’rufs Gebet.
Sari und der Höfling
Eines Tages, als Sari eine seiner Predigten hielt kam Ahmad ibn Yazid, genannt der Schreiber, einer der Vertrauten des Kalifen in all seinem Pomp, umgeben mit Sklaven und Dienern des Wegs.
„Wartet, ich will mir die Rede dieses Kerls anhören“, sagte er.
„Wir waren schon an einigen guten Plätzen, an die wir uns hätten nicht begeben sollen – davon hatten wir genug.“
Er trat ein und setzte sich nieder.
„In allen achtzehntausend Welten“, sagte Sari gerade, „gibt es nicht schwächeres als den Menschen. Von all den unzähligen Gattungen, die Gott erschaffen hat, ist keiner so ungehorsam Gottes Gesetzen gegenüber als der Mensch. Wenn er gut ist, dann ist er so gut, dass die Engel ihn um seinen Rang beneiden; ist er schlecht, so ist er so schlecht, dass sich selbst der Teufel schämt, sich mit ihm abzugeben. Welch ein wundersames Geschöpf ist der Mensch, so schwach und trotzdem widersetzt er sich Gott, der doch so Allmächtig ist!“
Diese Worte trafen wie Pfeile von Saris Bogen direkt in Ahmads Seele. Er musste so bitterlich weinen, dass er das Bewusstsein verlor. Als er erwachte, begab er sich erneut unter Tränen nach Hause. In dieser Nacht sprach er nichts mehr und nahm auch keinerlei Speise zu sich. Nächsten Morgen begab er sich zu Fuß zu Saris Versammlung, verstört und blass. Nach dem Treffen kehrte er nach Hause zurück. Auch am dritten Tag kam er, alleine und zu Fuß. Am Ende der Versammlung trat er auf Sari zu.
„Meister“, sagte er, „deine Worte haben mich ergriffen und die Welt meinem Herzen überdrüssig gemacht. Ich will diese Welt aufgeben und mich aus der Gesellschaft der Menschen zurückziehen. Zeige mir den Weg der Reisenden.“
„Welchen Weg wünscht du?“ fragte Sari. „Den des Pfades oder des Gesetzes? Jenen der Vielen oder jenen der Erwählten?“
„Erkläre beide“, bat der Höfling.
„Der Weg der Vielen bedeutet,“ sagte Sari, „dass du die täglichen fünf Gebete hinter einem Imam einhältst und Almosen gibst – wenn in Geld, dann einen halben Dinar von zwanzig. Der Weg der Erwählten bedeutet, dass du Welt vollständig hinter dich wirfst und dich nicht weiter mit ihren Fallen befasst; wenn dir von ihnen angeboten wird, so wirst du nicht annehmen. Dies sind die beiden Wege.“
Der Höfling trat vor das Haus und brach in Richtung Wildnis auf. Einige Tage später kam eine alte Frau mit zerzaustem Haar und zerkratztem Gesicht zu Sari.
„Imam der Muslime, ich hatte einen Sohn, jung und bester Verfassung“, sagte sie, „und eines Tages gelangte er lachend und guter Dinge in deine Versammlung und verließ sie weinend und klagend. Seit einigen Tagen ist er nun verschwunden. Und ich weiß nicht wo er ist. Mein Herz brennt, da er von mir getrennt ist. Ich bitte dich, tue etwas für mich.“
Ihre verzweifelt Bitte rührte Saris Mitleid.
„Sei nicht traurig“, sagte er zu ihr. „Nur das Gute wird bleiben. Wenn er zurück ist, wird er es dir mitteilen. Er hat der Welt abgeschworen und den weltlichen Dingen den Rücken gekehrt. Er ist ein wahrhaft Bußfertiger geworden.“
Einige Zeit später tauchte Ahmad wieder auf.
„Geh und berichte davon der alten Dame“, bat Sari einen seiner Diener. Dann sah er auf Ahmad. Dessen Wangen waren blass, er erschöpft und seine zypressengleiche Gestalt gebückt.
„Gütiger Meister“, rief er, „dafür dass du mich zum Frieden geleitet und aus der Dunkelheit geführt hast, möge dir Gott Frieden und Freude in beiden Welten über dich gießen.“
So waren sie miteinander im Gespräch, als Ahmads Mutter und seine Frau eintraten und seinen kleinen Sohn mitbrachten. Als seine Mutter ihren Sohn in einem Zustand erblickte, den sie an ihm nicht kannte, schlug sie sich gegen die Brust. Seine Frau stand klagend an seiner Seite und der Sohn weinend an der anderen. Dies war dermaßen ergreifend, dass auch Sari in Tränen ausbrach. Das Kind warf sich dem Vater zu Füßen und obwohl sich alle bemühten, ihn zu bewegen nach Hause zurück zu kommen, hatten sie keinen Erfolg.
„Imam der Muslime“, protestierte Ahmad, „warum hast du ihnen etwas gesagt? Sie sind meine Abhaltung.“
„Deine Mutter hat mich immer und immer wieder gebeten, so dass ich schließlich einverstanden war, ihr deine Rückkehr zu berichten“, gab Sari zur Antwort.
Ahmad machte sich auf, in die Wüste zurückzukehren.
„Noch bist du am Leben und doch hast du mich zur Witwe und dein Kind zum Waisen gemacht.“, klagte seine Frau. „Wenn der Knabe nach dir fragt, was soll ich da tun? Es gibt keinen anderen Weg, du musst deinen Sohn mit dir nehmen.“
„So soll es sein“, erwiderte Ahmad.
Er zog ihm seine feinen Kleider aus und warf ihm ein grobes wollenes Stück über und drückte ihm einen Beutel in die Hand.
„Nun – sei auf dem Pfad“, sagte er zu ihm.
„Das halte ich nicht aus“, schrie seine Frau, wenn sie das Kind in diesem Aufzug sah. Sie zog den Knaben an sich.
„Du kannst auch über mich verfügen“, sagte Ahmad, „wenn du dies wünscht, so gib mich frei.“
Dann kehrte Ahmad in die Wüste zurück. Einige Jahre vergingen. Eines Nachts, zur Zeit des Nachtgebets kam ein Mann zu Saris Unterkunft.
„Ahmad schickt mich“, nachdem er eingetreten war, „er sagt „meine Angelegenheit hat sich kritisch zugespitzt, hilf mir!““
Sari brach auf und fand Ahmad schon fast gestorben auf der Erde auf einem Grabhügel liegen. Seine Lippen bewegten sich noch. Sari lauschte. Ahmad sagte, “Dafür lass die Wirkenden wirken.”
Sari hob seinen Kopf aus dem Staub, wischte ihn ab und legte ihn an seine Brust. Ahmad öffnete seine Augen, sah den Scheich.
„Meister, du bist gerade rechtzeitig gekommen,“ rief er, „meine Angelegenheiten haben einen kritischen Zustand erreicht.“
Dann hörte er zu atmen auf. Weinend brach Sari in die Stadt auf, um seine Angelegenheiten zu regeln und er bemerkte eine Menge Leute, die aus der Stadt auf ihn zukamen.
„Wohin geht ihr?“ fragte er sie.
„Weißt du nicht?“ antworteten sie, „Letzte Nacht war eine Stimme vom Himmel zu hören die rief, „Wer über einem erwählten Freund Gottes beten möchte, sagt, „Begebt euch zum Shuniziya Gräberfeld.““
Anekdoten über Sari
Junaid berichtete folgendes.
„Eines Tages besuchte ich Sari und fand ihn in Tränen aufgelöst.
„Was ist passiert?“, fragte ich.
„Ich hatte den Gedanken,“ antwortete er, „dass ich heute Abend eine Wasserflasche zum Kühlen draußen aufhängen könnte. In einem Traum sah ich eine der Paradiesschönen die zu mir sagte, als ich sie fragte zu wem sie gehöre, „Ich gehöre zu dem Mann, der draußen keine Wasserflasche zum Kühlen aufhängt.“ Darauf zerschlug sie meine Flasche auf dem Boden. Sie hier!“
Ich sah die Scherben. Lange Zeit danach blieben die Scherben dort liegen.“
Junaid berichtete auch.
„Eines Nachts, friedlich schlafend, wachte ich auf, da meine geheime Seele darauf bestand, ich solle zu der Shuniziya Moschee gehen. Ich begab mich also zur Moschee und erblickte dort einen Mann, fürchterlich anzusehen. Ich bekam Angst.
„Junaid, hast du Angst vor mir?“ fragte er mich.
„Ja“, erwiderte ich.
“Wenn du Gott kenntest, wie Er gekannt sein sollte“, sagte er, „hättest du vor keinem Angst, denn vor Ihm“.
„Wer bist du?“ wollte ich wissen.
„Iblis“, gab er zur Antwort.
„Ich wollte dich sehen“, sagte ich ihm.
„In dem Moment, als du mich erblicktest, hast du Gott vergessen und hast dies nicht einmal bemerkt“, gab er zurück, „wofür wolltest du mich sehen?“
„Ich wollte wissen, ob du irgendwelche Gewalt über die Armen hast“, sagte ich.
„Nein“, antwortete er.
„Warum?” fragte ich.
“Wenn ich sie mit weltlichen Dingen fangen will, flüchten sie in die nächste Welt”, sagte er. „Und wenn ich sie mit der nächsten Welt fangen will, flüchten sie zu ihrem Herrn, wohin ich ihnen nicht folgen kann.“
„Wenn du ihrer nicht Herr werden kannst, siehst du sie denn?“ wollt ich weiter wissen.
„Ich sehe sie“, sagt er. „Wenn sie in der Versammlung und in Verzückung sind, sehe ich die Ursachen ihres Klagens.“
Daraufhin verschwand er. Ich betrat die Moschee, um darin Sari mit seinem Kopf auf seinen Knien zu erblicken.
„Er lügt, dieser Feind Gottes“, sagte er und hob seinen Kopf. „Sie sind zu kostbar für Ihn, um sie Iblis zu zeigen.““
Sari hatte eine Schwester. Sie bat ihn um Erlaubnis, seine Kammer aufzuwischen, doch er verweigerte sie.
„Mein Leben verdient dies nicht“, sagte er zu ihr.
Eines Tages kam sie in sein Zimmer und sah eine alte Frau, die das Zimmer wischte.
„Bruder, du hast mir keine Erlaubnis gegeben auf dich zu warten. Nun hast du jemanden gebracht, der nicht von den deinen ist.“
„Schwester, betrübe nicht dein Herz“, antwortete er ihr.
„Dies ist die niedere Welt. Sie hat sich in mich verliebt und wurde zurückgewiesen. Nun bat sie den Allmächtigen Gott um Erlaubnis, Teil meines Lebens zu sein. Ihr wurde die Aufgabe zuteil, mein Zimmer aufzuwischen.“
Geschichten aus dem
Tadhkirat al-Auliya’
(Erinnerung an die Heiligen)
von Farid ud-Din ATTAR
Übersetzt von M.M. Hanel